Räumung war illegal

Sechs Jahre nach Räumung der Rigaer Straße 80 urteilt Gericht: Der Polizeieinsatz war rechtswidrig

Als Jörg Schönbohm (CDU) 1996 Berliner Innensenator wurde, kündigte er an, das Hausbesetzerproblem zu lösen. Als er mehr als zwei Jahre später ins Innenministerium nach Brandenburg abwanderte, hatte er sein Ziel erfüllt. Nach 14 Räumungen hatte er Berlin als besetzerfrei erklärt. Opposition und Besetzer beklagten damals das rabiate Vorgehen von Polizei und Innenverwaltung. Nun haben die Geräumten späte Genugtuung erfahren. Denn die Räumung der Rigaer Straße 80 in Friedrichshain am 29. Juli 1997 war illegal. Das hat Mitte Juli 2003 das Verwaltungsgericht Berlin in einem Verfahren gegen das Land Berlin festgestellt. Die Urteilsbegründung wurde gestern von ehemaligen Bewohnern veröffentlicht.

An dem Tag waren drei Häuser nach dem Allgemeinen Sicherheits- und Odrnungsgesetz (Asog) durch die Polizei geräumt worden – „zum Schutze privater Rechte“, wie die Innenverwaltung argumentierte. Der damalige Fraktionschef der Grünen, Wolfgang Wieland, hatte den Polizeieinsatz als „absolut rechtswidrig“ bezeichnet. Das Asog rechtfertige nur die Beseitigung einer vorübergehenden Störung.

Ähnlich argumentiert sechs Jahre später das Gericht. „Der Kläger kann sich auf das Grundrecht der Unverletztlichkeit der Wohnung berufen, obwohl er die von ihm genutzten Räume unbefugt nutzte“, heißt es in der Urteilsbegründung. Damit werde eine Haus- und Wohnungsbesetzung nicht legalisiert, aber unter besonderen Grundrechtsschutz gestellt. Nach Asog „obliegt der Schutz privater Rechte der Polizei nur dann, wenn gerichtlicher Schutz nicht rechtzeitig zu erlangen ist und wenn ohne polizeiliche Hilfe die Verwirklichung des Rechts vereitelt und wesentlich erschwert würde“, heißt es weiter. Dies sei bei der Rigaer Straße 80 nicht erfüllt gewesen. Die Bewohner hätten mindestens vorab aufgefordert werden müssen, das Haus in einer gesetzten Frist zu verlassen, verbunden mit der Androhung gerichtlicher oder polizeilicher Konsequenzen.

Geklagt hatte der ehemalige Hausbewohner Nicolas Schnur. Für ihn persönlich habe das Feststellungsurteil zwar keine Folgen mehr, sagte er. Er freue sich aber über die grundlegende Bedeutung des Urteils. Die Rigaer Straße 80 wurde mittlerweile mit öffentlichen Mitteln saniert. Polizei und Innenverwaltung sahen sich gestern nicht zu einer Stellungnahme in der Lage.

GEREON ASMUTH

Aktenzeichen: VG 1 A 321.98

Infos im Netz: www.r80.org