Perlen für alle

Das beliebte Metafeuilleton Perlentaucher möchte in Zukunft Teil der europäischen Öffentlichkeit sein und plant eine englischsprachige Version

VON IMKE SCHRIDDE

Auch wenn er vorwiegend durch die deutschsprachigen Feuilletons schwimmt – der Perlentaucher denkt global und will sich internationalisieren: Mit Hilfe der Geschäftssprache Englisch. „Die hiesigen Medien haben diese Notwendigkeit scheinbar noch gar nicht so wahrgenommen in ihrer allgemeinen Panikstimmung“, sagt Perlentaucher-Mitbegründer Thierry Chervel. Zumindest wenn man von englischsprachigen Beilagen und einer wöchentlichen FAZ -Internetausgabe einmal absieht.

Chervel will die Sache gleich für die Gesamtheit überregionaler deutschsprachiger Feuilletons in die Hand nehmen und täglich eine Presseschau auf Englisch ins Netz stellen. Der Arbeitstitel des neuen Projekts gibt sich zurückhaltend: Pearlfisher. Noch taucht hier niemand in neuen Gefilden, aber das Konzept steht.

Das Vehikel der neuen Presseschau in englischer Sprache ist der Perlentaucher, der bereits seit vier Jahren täglich ab neun Uhr einen Überblick über die Themen in deutschsprachigen Feuilletons bietet. Über Links gelangt man zu den eigentlichen Artikeln der jeweiligen Zeitung.

Bei seiner Feuilleton-Durchsicht kontrolliert das Perlentaucher-Team die Kollegen zudem auf seine ganz spezielle Art. So quittieren die Perlentaucher-Mitarbeiter feuilletonistische Begriffshuberei gern mal mit einem ironischen Seitenhieb. Im vergangenen Jahr gab es dafür sogar den Grimme-Preis in der Kategorie „Medienjournalismus“.

Nicht nur für Redakteure gehört der Blick in www.perlentaucher.de mittlerweile zum Tagesablauf. Kulturinteressierte verfolgen hier feuilletonistische Diskurse, ohne auf Unmengen von Altpapier sitzen zu bleiben.

Nun will es das Perlentaucher-Team auch einem nicht deutschsprachigen Publikum ermöglichen, die hierzulande verhandelten Themen zu verfolgen.

„Für die neue englische Version werden wir unsere Texte aber nicht einfach übersetzen“, sagt Chervel. Die Themenschwerpunkte müssen für die nicht in Deutschland lebenden Leser anders gesetzt, und manches muss ausführlicher erklärt werden. Hierfür will der Perlentaucher englischsprachige Journalisten engagieren. Thierry Chervel hofft jetzt auf eine Kooperation mit den deutschsprachigen Medien, um zwei bis drei Artikel pro Woche vollständig übersetzt ins Netz stellen zu können.

Der Perlentaucher finanziert sich unter anderem mit Einzelwerbung, zudem kaufen ihm Amazon und Spiegel für ihre Internetauftritte Inhalte ab. Auch weil er nicht von nur einem Geldgeber abhängig war, konnte der Perlentaucher die Medienkrise bislang überleben. Die englischsprachige Version wird zunächst von der Bundeskulturstiftung gefördert, für später hofft Chervel auf Sponsoren.

Ausschlaggebend für die Idee des englischsprachigen Pearlfishers war der allseits beklagte Mangel an europäischer Öffentlichkeit. Feuilletonistische Debatten über Ländergrenzen hinweg sind nach wie vor selten. Dabei könnte es via Internet doch so einfach sein, wären da nicht die Sprachschwierigkeiten. Angelsächsische Medien haben hier einen eindeutigen Wettbewerbsvorteil. Sich neben der eigenen auch aus der englischsprachigen Presse zu informieren, das ist für viele Internetnutzer bereits selbstverständlich.

Ende des Jahres soll der Pearlfisher online gehen. Seinen Wettbewerbsvorteil sieht er darin, dass die deutsche Presse mit ihren Themen schon „ziemlich kosmopolitisch“ ist. Die Perlentaucher müssen es ja wissen.