Zuckerbrot & Peitsche im Knast

Justizministerin will Niedersachsens Gefängnisinsassen gefügiger machen: Lockerungen im Strafvollzug sollen künftig nur noch nach einheitlichen Kriterien gewährt werden. Die Gangart wird schärfer

aus Hannover Kai Schöneberg

Öfters mit den Liebsten telefonieren; statt nur Fernsehen in der Zelle glotzen, auch mal mit dem Gameboy spielen dürfen: Das wird in den 49 Knästen Niedersachsens künftig nur noch für nicht so renitente Gefangene möglich sein – und zwar nach landesweit einheitlichen Kriterien. Justizministerin Elisabeth Heister-Neumann (CDU) kündigte gestern an, den Strafvollzug in Niedersachsen vereinheitlichen zu wollen. Wer „bereit und willens ist, am Vollzugsziel mitzuarbeiten“, könne über eine „Grundversorgung“ hinaus „in den Genuss besonderer behandlerischer und therapeutischer Maßnahmen kommen“.

Bislang ist sei auch die Besuchsregelung in den Gefängnissen „sehr unterschiedlich gehandhabt worden“, betonte Heister-Neumann. Damit ist jetzt Schluss: Lockerungen über die im Strafvollzugsgesetz vorgeschriebenen Mindeststandards sollen nur noch bei guter Führung gewährt werden. Je nach Wohlverhalten wird Gefangenen dann statt einer Stunde Blickkontakt mit Bekannten pro Monat „auch mal zwei bis drei Stunden“ Besuch erlaubt.

Insgesamt soll die Gangart in den Knästen schärfer werden. Was auf dem Arbeitsmarkt Fördern und Fordern heißt, nannte die Ministerin schlicht „Zuckerbrot und Peitsche“. Ihr sei aufgefallen, „dass es in den kleineren Anstalten vor allem im Norden besonders familiär zugeht. Das ist nicht der gute Vollzug.“ In größeren Anstalten gebe es „mehr disziplinäre Möglichkeiten“.

Gefangene im geschlossenen Vollzug können künftig erst nach der Hälfte ihrer Strafzeit Ausgang bekommen – auch wenn das ihre Resozialisierungschancen verschlechtert. „Konsequenter“ will Heister-Neumann demnächst auch den Drogenmissbrauch ahnden. Nebenbei bemerkte sie, dass das vielfach kritisierte Auslaufen des Spritzenaustauschprogramms „erfolgreich“ gewesen sei und „nicht zu mehr Infektionen und Abzessen geführt“ habe.

Bundesweit erstmals will die Ministerin demnächst in Hannover auch eine „Gutachtenstation für gefährliche Straftäter“ einrichten. Psychater und Psychologen sollen hier Empfehlungen für die „Vollzugsgestaltung“ ausarbeiten.

Niedersachsens Gefängnisse sollten mit dem neuen „einheitlichen“ Konzept sicherer werden, aber auch das Sparen spiele eine Rolle, betonte Heister-Neumann. „Das hat auch wirtschaftliche Auswirkungen“, sagte die Ministerin, die im kommenden Jahr immerhin Mindereinnahmen in Höhe von etwa fünf Millionen Euro zu verkraften hat. Wenn Fachpersonal die Knastis zum Sport antreibe, koste das schließlich Geld. „Wenn wir Aufwand betreiben, erwarten wir auch eine Gegenleistung der Gefangenen“, sagte Heister-Neumann.

Bislang regeln Kommissionen Lockerungen für die 7.000 Strafgefangenen im Land – weil auch sie dabei Verhalten und Wiedereingliederungsmöglichkeiten der Gefangenen beurteilen, kritisierte die SPD das Konzept als „Ettikettenschwindel“. Die Minsterin versuche, „die Umbenennung von bewährten Instrumenten des Justizvollzugs als neues Konzept zu verkaufen“, ärgerte sich die Justizexpertin Elke Müller. „Was früher ‚chancenorientierter Justizvollzug‘ genannt wurde“, nenne Heister-Neumann einfach ‚Chancenvollzug‘. Alles laufe nach dem Motto „Raider heißt jetzt Twix“.

Dass die Haftanstalten Drogenkonsum und Handel verfolgten, sei „Banalität in Reinkultur“, meinte auch der grüne Justizexperte Ralf Briese. Interessanter sei doch, dass in Niedersachsen die Zahl der Strafgefangenen deutlich über dem Bundesschnitt liege. „Statt neue und teure Gefängnisse bauen zu lassen, darf sich Frau Heister-Neumann nicht länger intelligenteren Sanktionsformen verschließen“, sagte Briese. Gemeinnützige Arbeiten oder härtere Geldstrafen seien der beste Weg, um etwas gegen die überfüllten Gefängnisse zu tun.