Friesen mit Hürden

Partei der Plattsnacker will sich in Niedersachsens Landesparlament einklagen: Fünf-Prozent-Klausel für Minderheitenvertreter soll fallen. Die etablierten Parteien reagieren skeptisch

VON KAI SCHÖNEBERG

Wer sind die Ostfriesen? Eher eine Volksgruppe in Niedersachsen – wie die Bentheimer, Schaumburger oder Wendländer? Oder schon eine nationale Minderheit wie Sinti und Roma, die Sorben in Brandenburg oder die Dänen in Schleswig-Holstein? Für die Partei „Die Friesen“ ist die Sache glasklar: Als Minderheit stehe den Plattsnackern auch ein besonderer Schutz durch das Landeswahlgesetz zu. Es sei glatt „verfassungswidrig“, dass für die Partei die Fünf-Prozent-Hürde gilt, behauptete Anwalt Wilhelm Bosse am Montag im Wahlprüfungsausschuss des niedersächsischen Landtags. Hier fochten die Friesen die Landtagswahl vom Januar 2008 an.

86 Mitglieder haben die Friesen. Der „Bundesvorstand“ sitzt in Aurich. Sie halten keine Parteitage ab, „bei uns heißt das Mitgliederversammlungen“, sagte der Parteivorsitzende Arno Rademacher.

„Früher habe ich versucht, innerhalb der SPD ostfriesische Akzente zu setzen“, erklärte der 45-jährige Versicherungsmakler aus Leer. Bis er die Nase voll hatte und im Sommer 2007 die „Friesen“ gründete. Falsche Politik in Hannover habe die flache Region im Nordwesten wirtschaftlich abgehängt. Für den Küstenschutz werde zu wenig getan. „Damit unsere Kinder nicht da schwimmen, wo wir heute wohnen“, heißt ein „Friesen“-Slogan. Außerdem soll schon in Kindergärten friesisch unterrichtet werden, ein Großkreis Ostfriesland müsse her, die Fachhochschule in Emden erweitert werden. Von „gelebtem Friesentum“ spricht eine Broschüre.

Und doch scheiterten Rademacher & Co. vor gut einem Jahr an der Sperrklausel. 0,3 Prozent oder nur gut 10.000 Niedersachsen kreuzten die Liste der Friesen an. Für einen Sitz im Landtag wäre gut das Doppelte notwendig gewesen. Die eher mauen Ergebnisse sind logisch, fand Anwalt Bosse: „Der Wähler sagt sich, das ist eh für den Papierkorb.“

Es dürfe „keine Minderheiten erster und zweiter Klasse“ geben, sprang ihm Anwaltskollege Kevin Poppen bei. Die Friesen hätten sich lange gegen den Begriff „Minderheit“ gewehrt, weil sie nicht als minderwertig gelten wollten.

Zudem, sagte Poppen, sei es doch absurd „zu sagen, wir brauchen keinen Schutz mehr, weil es spricht eh keiner die Sprache mehr“. In Niedersachsen haben nur noch die so genannten Saterfriesen ein eigenes Idiom. Es leben nur noch rund 1.500 im Landkreis Cloppenburg, die diese Sprache sprechen.

Die Friesen argumentierten vor allem mit dem europäischen Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten, das 1998 in Kraft trat. „Ich bin selbst Ostfriese“, hielt Hans-Dieter Haase (SPD) dagegen. Die Friesen, seien jedoch auch nach den europäischen Kriterien keine Minorität – selbst wenn Kanzlerin Angela Merkel das mal in einer Festrede gesagt habe. Deutschland sei ein „Vielvölkerstaat“. Ihn eine mit den „Friesen“ nur eins: der „Kampf“ um das Plattdeutsche. Die Friesen seien „auch ohne Privilegierung ausreichend vertreten“, befand auch der Grüne Helge Limburg. CDU und FDP sahen das ähnlich.

Der Ausschuss empfahl also dem Landtag, die Anfechtung der Wahl abzulehnen – hätte ja auch potentielle politische Konkurrenz bedeutet. Rademacher kümmert das nicht: Er kündigte Klage vor dem Staatsgerichtshof Bückeburg an. „Notfalls“, sagte er, „gehen wir bis vor den Europäischen Gerichtshof.“