Größte Verfassungsbeschwerde aller Zeiten: Klage gegen Vorratsdatenspeicherung

Auch wenn der Bundestag dem Gesetz zustimmt, ist der Streit um die Vorratsdatenspeicherung lange nicht beendet. Bürgerrechtler planen eine Massenklage beim Verfassungsgericht.

6.000 Menschen klagen gemeinsam gegen Vorratsdatenspeicherung - zuvor gingen Tausende dagegen auf die Straße. Bild: dpa

KARLSRUHE taz Innenminister Schäuble provozierte mal wieder, diesmal mit einem Hitler-Vergleich. "Wir hatten den 'größten Feldherrn aller Zeiten', den GröFaZ, und jetzt kommt die größte Verfassungsbeschwerde aller Zeiten", assoziierte er am Mittwochabend vor Journalisten und Richtern in Karlsruhe. Der geschmacklose Vergleich galt einer Sammel-Verfassungsbeschwerde, die der AK Vorratsdatenspeicherung, ein Zusammenschluss von Bürgerrechtsgruppen, initiiert hat.

Mehr als 6.000 Bürger haben dem Berliner Rechtsanwalt Meinhard Starostik bereits eine Vollmacht erteilt, damit dieser in ihrem Namen gegen die Vorratsdatenspeicherung klagt. Die Verfassungsbeschwerde soll in Karlsruhe eingereicht werden, sobald das Gesetz über die Vorratsdatenspeicherung im Gesetzblatt veröffentlicht wird. Es kann sein, dass Karlsruhe erst in einigen Jahren über die Klage entscheidet. Deshalb beantragen die Kläger auch, dass die Zwangsspeicherung der Verbindungsdaten bis dahin durch einen Karlsruher Eilbeschluss ausgesetzt wird.

Das Verfassungsgericht wird durch diese Masseneingabe nicht lahmgelegt - das Gericht würde nur mit Anwalt Starostik kommunizieren, der dann seine Mandanten informieren muss. Allerdings erhöht die Zahl der Kläger auch nicht die Erfolgsaussichten einer Verfassungsbeschwerde.

Die Kläger sehen durch das Gesetz vor allem die Fernmeldefreiheit und die informationelle Selbstbestimmung verletzt. In diese Grundrechte darf zwar per Gesetz eingegriffen werden, doch die Kläger halten das Gesetz über die Vorratsdatenspeicherung für unverhältnismäßig. Die Maßnahme werde nur in Einzelfällen bei der Aufklärung von Straftaten nutzen, auf der anderen Seite drohe "unabsehrbar großer" Schaden für die Demokratie. Die Bürger würden wegen der Zwangsspeicherung ihrer Verbindungsdaten weniger telefonieren, mailen und das Internet nutzen. Außerdem könne es bei den Providern zu Datenmissbrauch kommen.

Ein Hauptproblem der Klage dürfte sein, dass die Vorratsdatenspeicherung auf eine EU-Richtlinie zurückgeht, die von Deutschland umgesetzt werden muss. Eigentlich müsste deshalb der Europäische Gerichtshof über eine Klage entscheiden, die die Zwangsspeicherung generell kippen will. Die Kläger bestreiten jedoch die Umsetzungspflicht, weil die EU-Richtlinie "offensichtlich" rechtswidrig sei. Tatsächlich bestehen große Zweifel, ob die Richtlinie von der EU im richtigen Verfahren beschlossen worden ist. Irland hat beim Europäischen Gerichtshof geklagt, weil im EU-Ministerrat mit Mehrheit statt einstimmig abgestimmt wurde.

Auf jeden Fall ist das deutsche Verfassungsgericht aber für alle Teile des deutschen Gesetzes zuständig, die über die EU-Richtlinie hinausgehen. So schreibt die EU die Zwangsspeicherung nur zur späteren Aufklärung von "schweren Straftaten" vor. Das deutsche Gesetz will dagegen auch die Aufklärung aller Straftaten ermöglichen, die "mittels Telekommunikation" begangen werden, zum Beispiel eine telefonische Beleidigung. CHRISTIAN RATH

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