Spanien entdeckt Kioto wieder als Ziel

Neue Töne aus der Dreckschleuder Europas: Die Regierung will den Ausstoß des Treibhausgases CO2 reduzieren. Dabei nimmt sie vor allem die Stromerzeuger in die Pflicht. Sie seien hauptverantwortlich für die Belastung des Klimas

MADRID taz ■ Spaniens Umweltministerin Cristina Narbona zieht die Handbremse. Künftig soll das Land auf der Iberischen Halbinsel die bei der Klimakonferenz in Kioto gesteckten Ziele erfüllen. Den entsprechenden Plan hat die Angehörige der sozialistischen Partei jetzt vorgelegt.

Spanien, dessen Ausstoß des Treibhausgases Kohlendioxid (CO2) bisher schneller zunahm als im Klimaschutz-Protokoll vorgesehen, wird in den nächsten drei Jahren erstmals die Emission des Gases senken. Im Zeitraum von 2005 bis 2007 soll die CO2-Produktion um 0,4 Prozent zurückgehen. Hauptsächlich die Energiekonzerne müssen ihre Kraftwerke modernisieren.

Spanien ist bisher die Dreckschleuder der Europäischen Union. Bis 2012 wird dem Land auf der Iberischen Halbinsel ein zusätzlicher CO2-Ausstoß von 15 Prozent zugestanden. Damit sollte dem wirtschaftlichen Nachholbedarf Spaniens im europäischen Kontext Rechnung getragen werden. Doch bereits jetzt produziert das Land 39 Prozent mehr CO2 als 1990. Selbst die USA liegt mit einer Steigerung von 16 Prozent im gleichen Zeitraum weit hinter Spanien.

Der Plan von Umweltministerin Narbona sieht für 2012 24 Prozent mehr Schadstoffausstoß als 1990 vor. Damit verfehlt Spanien das Kioto-Ziel noch immer um neun Punkte. 2 Prozent sollen durch Wiederaufforstungsmaßnahmen wettgemacht werden. Der Rest muss bis zum endgültigen Erreichen des Kioto-Grenzwertes auf dem Emissionsmarkt zugekauft werden – 100 Millionen Tonnen. Das entspricht Zusatzkosten von einer halben bis einer Milliarde Euro.

Den Großteil der Modernisierung müssen die Stromerzeuger leisten. Während die restlichen Bereiche (Raffinerien, Metallverhüttung, Zementherstellung, Papierindustrie, Glas und Keramik) für den Zeitraum von 2005 bis 2007 weiter wachsen und entsprechend mehr CO2 produzieren dürfen, müssen die Kraftwerke den Ausstoß um 6,5 Prozent senken. „Pooling“ ist dabei nicht erlaubt: Während in anderen Bereichen nur die Gesamtrechnung stimmen muss, muss jeder Stromerzeuger für sich das Ziel erreichen. Einige drohen mit empfindlichen Preissteigerungen für den Endabnehmer.

Die Ministerin hält das für nicht angemessen. Sie stützt sich dabei auf einen der beiden großen Energiekonzerne Spaniens, Iberdrola. Der Konzern, der Kioto von Anfang an verteidigte, bezeichnet den Plan zur Senkung des CO2-Ausstoßes als „moderat“. Die Konzernleitung geht davon aus, dass die Stromerzeuger die Mehrkosten ohne große Gewinneinbußen tragen können.

Iberdrola verspricht sich von der neuen Politik gar Wettbewerbsvorteile: Anders als die Konkurrenz produziert der Konzern einen Großteil des Stroms mit Wasser- und Atomkraftwerken. Der CO2-Ausstoß ist hier ein geringeres Problem als etwa bei Kohlekraftwerken.

Bei den Umweltverbänden stößt die Klimapolitik Narbonas auf Zustimmung. „Zum ersten Mal nimmt eine Regierung die Unternehmen in die Verantwortung, die für die Verschmutzung verantwortlich sind“, erklärt Greenpeace-Sprecher José Luis Garcia Ortega. REINER WANDLER