Besatzung im Chaos

Pentagon: Lage im Irak auf der Kippe. Wolfowitz in Bagdad eingetroffen. US-Nationalgarde soll helfen. Schiiten-Scheich al-Sadr: Nein zu Amerika!

BAGDAD/WASHINGTON rtr/dpa/ap Begleitet von Warnungen vor einem Chaos im Irak ist US-Vize-Verteidigungsminister Paul Wolfowitz gestern unerwartet in Bagdad eingetroffen. Eine Sprecherin des US-Militärs bestätigte seine Ankunft, machte jedoch keine Angaben zu seinen Plänen. In einer von US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld in Auftrag gegebenen Studie hieß es, die kommenden drei Monate seien entscheidend, um die Lage im Irak zu stabilisieren. Die Autoren empfahlen, sofort mehr Mittel und Personal für den Wiederaufbau bereitzustellen. Zudem müsse die Kommunikation mit den Irakern verbessert und es müssten mehr von ihnen in die Arbeit einbezogen werden. Experten bestätigten die Einschätzung: „Unser Zeitfenster schließt sich“, sagte Bathsheba Crocker vom Zentrum für strategische und internationale Studien.

Das US-Verteidigungsministerium will inzwischen nach Informationen des Wall Street Journal angesichts der mangelnden Unterstützung des Auslands die US-Nationalgarde für einen Irak-Einsatz mobilisieren. Rumsfeld soll noch in dieser Woche den Mobilisierungsbefehl für die Reserveeinheit unterzeichnen. Der zivile Leiter der amerikanischen Besatzungsmacht Paul Bremer hat unterdessen für Frühjahr 2004 demokratische Wahlen angekündigt. „Ich denke, das ist realistisch“, sagte Bremer. Der genaue Zeitplan werde aber entscheidend vom Verlauf der Verfassungsarbeit im irakischen Verwaltungsrat abhängen. Der bekannte schiitische Geistliche Muktadar al-Sadr hat gestern in einer Predigt jede Zusammenarbeit mit dem provisorischen Regierungsrat abgelehnt. Al-Sadr ließ mehrere tausend Gläubige mehrmals die Rufe „Nein zu Amerika! Nein zum Satan! Nein zu den Besatzungstruppen!“ wiederholen.

Nach einem Zeitungsbericht haben die USA Indien mit Aufträgen für den Wiederaufbau des Iraks für indische Firmen zur Entsendung von Truppen in den Irak bewegen wollen. Die indische Regierung hatte die Entsendung von Soldaten ohne UN-Mandat am Montag abgelehnt.