Greenpeace kauft sich eine Arche

Die Umweltschutzorganisation will mit dem Tierpark Warder in Schleswig-Holstein kooperieren, um einzigartige Nutztierrassen zu retten. Von manchen gibt es nur noch 90 Individuen. Genpool für die ökologische Landwirtschaft

Eine Tierseuche schreckte Besucher ab und gab dem Tierpark den Rest

aus Warder GERNOT KNÖDLER

Das Kälbchen, das friedlich am Rande der Pressekonferenz käut, sieht aus wie eine stinknormale Schwarzbunte. Ein Image, das seine Rasse an den Rand der Ausrottung gebracht hat. Denn weil das „Altdeutsche Schwarzbunte Niederungsrind ohne HF“ optisch so wenig hermacht, gebe es nur wenige Liebhaber, die an seiner Zucht interessiert seien, sagt Jürgen Güntherschulze, der Gründer des Tierparks Warder. Auf der ganzen Welt gebe es nur noch 90 Individuen. Viele von ihnen sind drauf und dran, ihr Zuhause zu verlieren. Denn der Tierpark für alte Nutztierrassen musste vor einem Jahr Insolvenz anmelden. Jetzt will Greenpeace in das Projekt einsteigen, um das Erbmaterial der seltenen Tiere für die Landwirtschaft zu retten.

Güntherschulze hat den Tierpark an der A7 zwischen Neumünster und Rendsburg im Zentrum Schleswig-Holsteins 1989 als ersten dieser Art in Deutschland gegründet. 1.100 Tiere von 150 Rassen leben auf dem 40 Hektar großen Gelände. Darunter lokale Rassen wie das Angelner Rind, die Moorschnucke oder das Bunte Bentheimer Schwein ebenso wie die keineswegs vom Aussterben bedrohte langhaarige Angora-Ziege aus der Türkei, die aussieht wie ein Schaf.

Die spektakulären Viecher lockten zwar bis zu 60.000 Besucher jährlich in den Park. Um ihn auf Dauer betreiben zu können, reichte das jedoch nicht. Die Maul- und Klauenseuche im Vorjahr, die viele Besucher abschreckte, gab dem Park den Rest. Da hatte er sich jedoch bereits so im Bewusstsein der Öffentlichkeit etabliert, dass ihn ein, zwei Vereine mehr als ein Jahr lang über Wasser halten konnten. Menschen, vor allem aus Schleswig-Holstein, spendeten 70.000 Euro. „Das hat uns über den Winter gerettet“, sagt Thomas Foth vom Trägerverein.

Im Februar schlug Greenpeace eine Kooperation vor: Die Greenpeace-Umweltstiftung erwirbt das Gelände, der Trägerverein den Tierbestand. Greenpeace e.V. investiert in Verbesserungen des Parks und bestellt einen ökonomisch versierten Betriebsleiter. Güntherschulze soll als wissenschaftlicher Berater fungieren. Bis zum 31. August hoffen die beteiligten Parteien die Verhandlungen mit dem Insolvenzverwalter abgeschlossen zu haben. „Wir wollen, dass dieser Park weiterhin aus der Region getragen wird“, betont Roland Hipp von der Hamburger Umweltschutzorganisation. Die große Unterstützung durch die Bevölkerung sei weiter nötig. Greenpeace wolle den Park jetzt bundesweit bekannt machen, um die Besucherzahlen auf 100.000 zu steigern und neue Förderer zu gewinnen.

Außerdem soll der Park weiterentwickelt werden: Greenpeace denke an das Zupachten von Flächen, weitere Tierarten und den Austausch mit anderen Zuchtbetrieben. Möglich wären auch Seminare, Jugendprojekte und Ausstellungen. Klares Ziel dabei ist, ein Zentrum für die Erhaltung biologischer Vielfalt zu schaffen. Hipp: „Wir wollen nicht, das aus dem Nutztierpark ein Zoo wird.“

Die Tiere in Warder sollen vielmehr dem ökologischen Landbau zugute kommen. Denn während sich die Landwirtschaft auf immer weniger genetisch reine Hochleistungsrassen konzentriert, geht das Genmaterial für Nachzüchtungen verloren. „Bei uns kommt‘s darauf an, dass die Variabilität innerhalb einer Population möglichst groß ist“, sagt Güntherschulze.

So wie beim Altdeutschen Schwarzbunten Niederungsrind. Es ist der Ahn der heutigen Hochleistungsmilchkühe und lässt sich ebenso gut als Milchkuh wie als Steaklieferant nutzen. Zudem ist es robust und braucht kein Turbofutter – Eigenschaften, die im ökologischen Landbau gefragt sind. „Wenn jemand wie Greenpeace eine naturnahe Landwirtschaft fordert“, sagt Hipp, „sollte er aufzeigen, wie das aussehen kann.“