Der Spiegellobbyist

Er verteilt Spiegel und sammelt Geld. Martin Keune sagt dem toten Winkel den Kampf an

Martin Keune war fassungslos, als er im März davon las, wie der 9-jährige Dersu Scheffler in Berlin mit seinem Fahrrad von einem rechts abbiegenden 30-Tonner überrollt und getötet wurde: Seit Jahren bereits gibt es Tote-Winkel-Spiegel, aber nicht an deutschen Lkws. „Wie kann das sein?“, fragte sich der 44-Jährige.

Selbst Vater und Fahrradfahrer, wollte er nicht auf ein Einsehen der Politik warten. Aus eigener Tasche kaufte er drei Spiegel und verschickte an Berliner Fuhrunternehmer über hundert Faxe. Betreff: „Tote-Winkel-Spiegel zu verschenken“. Doch nur ein einziger Unternehmer antwortete. Da wandte sich Keune an den Berliner Tagesspiegel und trat eine Lawine los: „Nach dem Artikel riefen viele interessierte Unternehmer bei mir an, auch Einzelpersonen und Schulklassen.“ Er richtete ein Spendenkonto ein und gründete die Initiative „Weg mit dem toten Winkel“ (www.semlin.de/dobli). Inzwischen sind über 15.000 Euro auf bei ihm eingegangen – genug für hundert Dobli-Spiegel. Doch Keune spendet pro Unternehmen nur ein Exemplar. Er hofft, dass es überzeugt und die Unternehmen für den Rest des Fuhrparks selbst in die Tasche greifen.

Der Werbefachmann hat auch Mitstreiter gefunden wie etwa Alfred Krahmer. Der Kfz-Mechaniker besitzt eine Werkstatt in Neukölln und montiert gespendete Spiegel kostenlos. Keune arbeitet sich unterdessen immer weiter in ein komplexes Problemfeld ein: neue Verordnungen, Soll-Sichtfelder, Vergleich verschiedener Spiegel-Modelle. Auf seiner Homepage sammelt er aktuelle Informationen und neue Entwicklungen rund um das Thema – und ist damit zum Experten in Sachen toter Winkel geworden. „Ich bin da durch meine Idee so reingerutscht“, sagt er. In Zukunft möchte er sich besonders für die Aufklärungsarbeit an Schulen stark machen.

FRAUKE HINRICHSEN