Ein Nobelpreis auf Stöckelschuhen

Der erste „World Women Award“ geht an Frauen, die „unsere Welt lebenswerter gemacht haben“, von Nena bis Bianca Jagger. Die meisten Preisträgerinnen fühlen sich geschmeichelt. Nur wenige fragen sich: Wieso, weshalb, warum? Aber das wissen nur die obskuren Veranstalter

VON ASTRID GEISLER

Frauen können wirklich undankbar sein. Da hat man sie gerade mit einem Women’s World Award dekoriert, der ersten „globalen Auszeichnung“ für die Damenwelt, sie dürfen eine 2,5 Kilo schwere Kristalltrophäe nach Hause hieven, drinnen im Festsaal läuft noch die Show, Expräsident Michael Gorbatschow verteilt Küsschen um Küsschen, Preis um Preis, und wirkt dabei so ernsthaft, als wolle er am liebsten sicherheitshalber gleich noch ins Weiße Haus durchtelefonieren, dass hier gerade eine gewisse Katarina Witt aus der Ex-DDR den Word Business Award als tollste Geschäftsfrau der Welt bekommt – und vor der Tür müssen die ersten Preisträgerinnen schon lästern. „Es gibt“, poltert Ex-Topmodel Waris Dirie, ihren funkelnden World Social Award in der Hand, „doch sowieso zu viele Preise auf dieser Welt.“ Auch Bianca Jagger will nicht einfach mal nur dankbar sein für den World Achievement Award. „Da stimme ich zu“, sagt die Menschenrechtlerin stattdessen.

Zum Glück bekommen das die Showgäste drinnen im großen Saal des Hamburger Kongresszentrums nicht mit. Immerhin haben sie selbst für die schlechtesten Plätze 61 Euro bezahlt und 492 Euro für das Platinum-VIP-Ticket. „Spasiba, Mister Gorbachev, that’s perfect“, jubelt vor einer riesigen Lorbeerkranz-Kulisse auf der Bühne inzwischen Nena, ihren World Artist Award in der Hand: „Ich werde heute Nacht noch mal drüber nachdenken, wofür ich das hier eigentlich bekommen habe!“ Gute Idee. Denn auch „Troja“-Schauspielerin Diane Kruger (World Actress Award) zweifelt ein bisschen, „ob ich das überhaupt verdiene“. Der Moderator versichert zwar, es würden hier Frauen ausgezeichnet, „die unsere Welt besser, schöner und lebenswerter gemacht haben“. Nur wieso?

Das Geheimnis hütet die Wiener PR- und Veranstaltungsagentur „World Connection“, Organisatorin der Preisverleihung. Eine Firma dreier visionärer Geschäftsleute: Georg Kindel, Autor von Bestsellern wie „Der Mann 2000“, Ex-RTL-Chef Helmut Thoma und Peter W. Kimmel, der es angeblich vom Bodybuilding-Studio-Betreiber zum Teilhaber einer Luxemburger Finanzholding brachte. Kindel hatte vor ein paar Jahren die Idee, einen Weltpreis nur für Männer auszuloben, Gorbi gab seinen Namen dafür her, dekorierte Promis vom Papst bis Michael Jackson, bis ihm die Sache irgendwann merkwürdig wurde: „Wie konnte eine solche Auszeichnung die Frauen übergehen?“

Die Veranstalter um Kindel hätten den Wettbewerb einfach öffnen können, schließlich bekommen Frauen seit 99 Jahren ohne größere Komplikationen den ganz normalen Friedensnobelpreis. Stattdessen sollte es ein eigene Gala sein mit eigenen Weltfrauenpreisen.

Aber nach welchen Maßstäben werden die Kandidatinnen eigentlich nominiert? Und warum macht eine PR-Agentur so etwas? Gerne hätte man Organisator Kindel auch persönlich gefragt, was der Frauenabend mit dem Ziel seiner PR-Firma zu tun hat, „Europas größter Award-Show-Produzent“ zu werden. Oder wer an der Promi-Gala verdient. Und ob daran etwas für den guten Zweck ist. Doch ein Interview muss Kindel aus „terminlichen Gründen“ absagen, schriftlich eingereichte Fragen bleiben unbeantwortet.

Man kann aber auch einen Abstecher ans feine Hamburger Alsterufer machen, um eine Idee zu bekommen. Dort arbeitet mit hübschem Ausblick aufs Wasser Günter Stampf, 35, Mitorganisator der World Awards. Er schlägt im Auftrag der Wiener Organisatoren unter anderem mögliche Preisträger vor und kümmert sich um die Promis. „Ich empfinde das als große Ehre, Teil von einem Event mit dieser Botschaft zu sein – für mehr Frieden, Toleranz und soziale Gerechtigkeit“, sagt der Österreicher. Und bekennt gleich auch noch: „Ich glaube an Gott. Ich glaube daran, dass es etwas gibt, was uns antreibt – das gibt mir in meinem Leben einfach sehr viel Halt und Sicherheit. Und ich glaube, wenn man das sagt, muss man sich nicht automatisch verdächtig machen.“

Verdächtig ist Stampf manchem Kollegen allerdings, seit er 1996 mit einem Interview für Aufsehen sorgte. Darin outete sich Schauspieler Tom Cruise als zeugungsunfähig: „Medizinisch ausgedrückt ist die Zahl meiner Spermien gleich null.“ Nur hatte Cruise derlei offenbar nie zu Stampf gesagt. Stampf wurde als Vizechef der Bunten gefeuert, seiner Karriere schadete der Zwischenfall aber nicht. Inzwischen bereichert er Deutschlands Fernsehlandschaft mit Sendungen wie „Wuff & Co … Die tierische Soap“, steht als Autor im Impressum der Bild-Zeitung und mischt auch im PR-Geschäft mit. So ist Stampfs Medienfirma beispielsweise offizieller „media content partner“ der im Juli beginnenden „Tchibo-Tour“ der „Soul Divas“ Whitney Houston und Dionne Warwick. Ausgerechnet jener Sängerinnen also, denen zum Abschluss der Hamburger Gala der „World Artist Award Lifetime Achievement“ verliehen wurde. Dass der Preis zum PR-Konzept gehört, bestreitet Stampf: „Das hat nichts miteinander zu tun.“

Wirklich nicht? Wo ausgerechnet über diesen Ehrentitel, anders als über die meisten anderen Trophäen, keine mehr als 300-köpfige, unabhängige Jury entscheidet. Den Lebenswerk-Preis vergibt das World-Award-Komitee in der Wiener PR-Agentur selbst – gemeinsam mit Gorbatschow, versteht sich.

Stampf, der wieder nicht zum Komitee gehört, will sich über den Vorschlag mit seinen Geschäftspartnern nur „kollegial ausgetauscht“ haben. Weltstars dieses Formats, erklärt er, hätten es nicht nötig, irgendwo hinzugehen, „um etwas zu promoten“. Whitney Houston habe einfach „den Sinn des Preises verstanden“ und sich über die „Ehre sehr gefreut“. Trotzdem nett vom Moderator, dass er kurz vor dem Ende der Gala noch mal öffentlich auf die bevorstehende Deutschland-Tournee der „Soul Divas“ hinweist.

Wer will, darf an Zufall glauben. Der Münchner PR-Unternehmer Christian Seidel würde das nicht. Als Manager von Talkmasterin Arabella Kiesbauer kennt er die Regeln der Branche. Seidel sagt: „Ich kenne keine vergleichbare Preisverleihung, die keine Werbeveranstaltung für irgendetwas ist.“ Die Rezeptur der World Awards sei geradezu ein Klassiker der PR-Cuisine: „Man nimmt ein paar Prominente, schreibt einen Preis aus, würzt das Ganze mit dem Charity-Faktor – und fertig ist die Minestrone unter den PR-Suppen.“ Ziel: ein „möglichst großes Medienereignis“ auf „möglichst kontrollierbare Weise“ zu erzeugen.

Die meisten Preisträgerinnen sagten auch tatsächlich sehr schmeichelnde Sätze: „Ich finde es wunderbar und bin tief gerührt, dass meine Arbeit so gewürdigt wird“, bekannte zum Beispiel World-Charity-Award-Trägerin Ute- Henriette Ohoven. Whitney Houston versicherte: „Es ist so eine Freude für mich, hier zu sein!“ Und Schauspielerin Diane Kruger hauchte: „Meine wildesten Träume werden wahr.“

Trotzdem könnten die Veranstalter die Kontrolle des Ganzen beim nächsten Mal noch optimieren: Denn draußen vor der Halle, gleich am roten Teppich, demonstrierten Frauen in grell-orangefarbenen T-Shirts gegen die Schließung des ältesten Hamburger Frauenhauses. Pfiffen, johlten, wedelten mit Transparenten wie „Shame on Hamburg“. Und dann griff Bianca Jagger die Kritik auch noch in ihrer feierlichen Dankesrede vor Stars wie Roberto Blanco, Hera Lind und Verona Feldbusch auf: wie es sein könne, dass Politiker ausgerechnet in dieser Stadt jetzt ein Frauenhaus dichtmachen wollten. „So etwas sollte nicht passieren!“

Nicht schön für Bürgermeister Ole von Beust, dessen Senat die Preisverleihung immerhin mit 400.000 Euro Steuergeld aus dem Innovationsfonds „Wachsende Stadt“ sponsert. Ungefähr so viel hätte auch das Erste Hamburger Frauenhaus für den Etat 2005 gebraucht, rechnen die Demonstrantinnen draußen am Absperrgitter vor. Sie würden für Bianca Jagger höchstpersönlich vermutlich zum Dank glatt einen weiteren Preis ausloben. Wenn es nicht ohnehin längst so viele gäbe.