Parlament verbessert Emissionshandel

In fünf Punkten ergänzen die Fraktionen den Regierungsentwurf zum Klimaschutz. Grüne wie SPD-Umweltpolitiker froh über die erreichten Nachbesserungen, auch wenn sie sich ein überzeugenderes Ergebnis gewünscht hätten

AUS BERLIN MATTHIAS URBACH

Sieben Stunden mussten die Fachpolitiker der Koalition verhandeln, um dem Emissionshandel den letzten Schliff zu geben: Gestern früh um 2 Uhr war man sich in der Parlamentarischen Gesellschaft vis-a-vis dem Reichstag endlich einig. Vor allem in fünf Punkten wird das Gesetz über den Nationalen Allokationsplan (NAP) verändert. Heute wird es im Umweltausschuss beraten, bevor es am Freitag der Bundestag absegnet.

Vieles war – wie die taz aus Verhandlungskreisen erfuhr – ohnehin „tabu“. Dazu gehörten der der Industrie zugebilligte Gesamtausstoß an Kohlendioxid und die Übertragungsregeln, die entscheiden, wie viele Verschmutzungsrechte eine neue Anlage zugeteilt bekommt. Versuche einiger SPDler, noch einmal die Regel für das Abschalten von Atommeilern anzugehen, scheiterten „am Kanzlerwort“. Der hatte den Stromkonzernen Eon und EnBW versprochen, dass sie für den Ersatz ihrer Atommeiler Stade und Obrigheim Emissionsrechte über 1,5 Millionen Tonnen Kohlendioxid pro Jahr kostenlos zugeteilt bekommen.

Trotzdem gab es einige entscheidende Änderungen. Im Grundsatz teilt der NAP jeder Fabrik für die Jahre 2005 bis 2007 so viele Emissionsrechte zu, wie sie in den Basisjahren 2000 bis 2002 gebraucht hätte, abzüglich eines Erfüllungsfaktors, der beschreibt, wie stark der Ausstoß verringert werden muss. Firmen, die zu viele Rechte haben, können sie verkaufen an solche, die ihren Ausstoß nicht entsprechend senken können. Für die SPD ganz wichtig war die Erweiterung der Härtefallregelung: Demnach erhalten Firmen, deren Anlagen 25 Prozent mehr ausstoßen als in den Basisjahren, extra Verschmutzungslizenzen zugeteilt, wenn sie bestimmte Kriterien erfüllen. Bislang lag die Grenze bei 30 Prozent. Außerdem bekommen neue Investoren in jedem Fall Emissionsrechte. Sollten dazu mehr benötigt werden als reserviert (3 Millionen Tonnen CO2), kauft die staatliche KfW-Bank Rechte auf und schenkt sie „Newcomern“.

Den Grünen war wichtig, dass ihre „Malus-Regel“ verschärft wird: Sie zieht alten klimaschädlichen Braunkohlekraftwerken 15 Prozent der Emissionsrechte ab, wenn ihr Wirkungsgrad unterhalb 31 Prozent liegt. Dies traf auf 16 rund fünfzig Jahre alte Kraftwerke zu. Nun wird die Regel ab 2010 für Kraftwerke mit weniger als 32 Prozent Effizienz gelten: Dadurch kommen fünf weitere Kraftwerke von RWE aus den Sechzigern dazu.

Außerdem setzten Umweltpolitiker beider Fraktionen durch, dass die klimafreundlichen Stadtwerke weniger benachteiligt werden gegenüber Eon, Vattenfall und RWE als noch im Entwurf. Vor allem die Vorleistungen der ostdeutschen Stadtwerke werden nun gewürdigt.

Schließlich erreichten die Grünen, dass im Rahmen des NAP auch ein explizites Ziel für die Klimaschutzmaßnahmen aus Verkehr und Haushalt festgelegt wird. Dagegen hatte sich Verkehrsminister Manfred Stolpe (SPD) bis zuletzt gewehrt. Er war wie die Staatssekretäre von Umweltminister Jürgen Trittin (Grüne) und Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) bei den Verhandlungen dabei. Stolpe muss den Ausstoß von Autos und Heizungen bis 2012 auf 349 Millionen Tonnen CO2 senken – eine Minderung um 6 Prozent. Die Kehrseite der geringen Anforderungen an die Industrie.

Durch die zusätzlichen Vereinbarungen steigt der Erfüllungsfaktor um ein Fünftel: Normale Fabriken müssen ihren Ausstoß bis 2007 um knapp 3 Prozent verringern.

Durch „konstruktive Zusammenarbeit“ habe die Fraktion „die Regierungsvorlage deutlich verbessert“, urteilt der grüne Fraktionsvize Reinhard Loske. „Aber in toto ist es immer noch kein wirklich starkes Klimaschutzgesetz.“ Ähnlich gespalten urteilt der Berichterstatter der SPD für den NAP, Ulrich Kelber. Wenn die meisten beteiligten Firmen „Angst vor marktwirtschaftlichen Lösungen“ hätten und Einzelregeln verlangten, dann müsse „man das zur Kenntnis nehmen“. Die Hauptsache sei, dass das deutsche Kioto-Ziel nun sicher erreicht werde. Insofern sei er „zufrieden“ – „alles andere wird ein Lernprozess sein“.

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