Überraschungserfolg "Brautalarm": Die Braut, die auf die Straße scheißt

In "Brautalarm" widerlegen sechs talentierte Komödiantinnen - vor allem Kristen Wiig - die gängige Lehrmeinung, dass Frauen schön sind, aber nicht komisch.

So grob die Gags auch werden, merkt man "Brautalarm" doch immer eines an: Es ist ein Film, der Frauen mag. Bild: © 2011 Universal Studios

In künftigen Kompendien der "besten Filmszenen" darf sie nicht fehlen: Die Szene aus "Brautalarm", in der Kristen Wiig pantomimisch einen Penis imitiert, der um einen Blowjob bittet. Wer es sich nicht vorstellen kann, muss hingehen und selber sehen: Zwei Frauen, wie sie am Kaffeetisch sitzen und über das verunglückte Sexleben der einen sprechen, woraufhin diese zur Erklärung einiger intimer Details zu Mienen- und Gebärdenspiel übergeht und mit nichts anderem als Gesichtsausdruck und Schulterhaltung eine verblüffende Ähnlichkeit erzielt. Es ist urkomisch.

Der kursorische Blick in die bislang erschienen Filmkritiken legt allerdings nahe, dass dieser Höhepunkt subtiler Frauenkomik von einer anderen Szene von etwas gröberem Humor ausgestochen wird: eine Braut im flauschigen Tüllornat, die aus dem Brautkleidershop auf die Straße flieht, zunächst verzweifelt Ausschau hält und dann resigniert in die Knie geht, im eigenen Tüll versinkend. Obwohl uns die Kamera die unappetitlichen Details erspart, weiß der Zuschauer doch, dass diese Frau da gerade etwas tut, was man einer Braut nie zutrauen wollte. Die Stichworte Lebensmittelvergiftung und Toilettenverstopfung mögen genügen, um den Kontext anzudeuten. Es ist eine Szene, auf die das Publikum mit dem, was man brüllendes Gelächter nennt, zu reagieren pflegt.

Die Braut, die auf die Straße scheißt, ist zum Kennzeichen dieses Films geworden, dem der Ruf des Derben und Vulgären vorauseilt, begleitet von einem spitzen Schrei - und das in einem Frauenfilm! Denn tatsächlich: rein handlungstechnisch, um bewusst eine eher männliche Kategorie anzuführen, handelt es sich bei "Brautalarm" um einen "Chick Flick", einen Frauenfilm der schlimmsten Sorte. Schließlich dreht sich alles um eine Hochzeit. Im Mittelpunkt steht jedoch nicht die vermeintlich glückliche Braut Lillian (Maya Rudolph), sondern deren beste Freundin Annie (Kristen Wiig). Und Annie macht gerade eine raue Phase durch, sowohl im Privat- als auch im Berufsleben. Mit ihrem Backshop ist sie pleitegegangen, nun jobbt sie lustlos in einem Juwelierladen, wo sie als Beziehungsskeptikerin eine denkbar schlechte Figur macht. Ihre erotischen Energien konzentriert sie auf einen reichen Angeber (Jon Hamm), der Sex als Gymnastik versteht und sie nach vollzogenem Akt recht taktlos nach Hause schickt. Dabei hatte sie sich gerade noch ins Bad geschlichen und nachgeschminkt. "Brautalarm", das deutet sich in diesen ersten Szenen schon an, nimmt sein Emblem "Frauenfilm" auf eine ganz andere Weise ernst, als es die üblichen "Romantic Comedies" (Romcoms) tun.

Es trifft sich also gar nicht gut, dass Annie von ihrer besten Freundin Lillian zur "Maid of Honor" ernannt wird und damit auch die Verantwortung für die entsprechenden Feierlichkeiten übernehmen soll. Wer das Romcom-Genre kennt, weiß, welch Hindernisparcours damit gemeint ist: Von der "Bridal Shower" über den Junggesellinnenabschied bis zum "Rehearsal Dinner", gesäumt von Unternehmungen wie dem gemeinsamen Kleider-, Speisen- und Blumenaussuchen. Selbst für gefestigtere Charaktere als Annie wäre das eine Überforderung, und vielleicht hätte sie abgesagt, wenn nicht auf der Verlobungsparty eine Konkurrentin auf den Plan getreten wäre: Helen (Rose Byrne), die als perfektionierte Weiblichkeit in jeder Hinsicht das Gegenteil der strauchelnden Annie verkörpert. Die beiden liefern sich noch am gleichen Abend ein Rededuell um den "emotionalsten" Beitrag zu Ehren ihrer Freundin Lillian. Es ist der Auftakt zu einer jener Frauenfehden, von denen man zwar weiß, dass sie im heillosen Chaos enden, denen man aber gebannt folgt, weil nie genau vorherzusagen ist, was und vor allem wie es schiefgeht.

Sex-and-the-City-Rekord gebrochen

Mit diesem kuriosen Mix aus derbem Humor, realistischem Frauenbild und bewährten Chick-Flick-Elementen stieg "Brautalarm" in den USA zum meistdiskutierten Phänomen der Kinosaison auf. Obwohl ein Mann Regie führt (Paul Feig) und ein weiterer, nämlich Judd Apatow, als Produzent verantwortlich zeichnet, firmiert "Brautalarm" als Frauenprojekt. Und das weniger, weil Hauptdarstellerin Kristen Wiig (mit Annie Mumolo) selbst das Drehbuch schrieb, als vielmehr aufgrund der Umdrehung des Geschlechterproporzes: Im Vordergrund stehen gleich sechs Frauen mit ganz unterschiedlichem komischen Profil, von denen neben den bereits erwähnten Kristen Wiig, Maya Rudolph und Rose Byrne vor allem die kräftige, jedes Klischee der dicken Frau selbstbewusst sprengende Melissa McCarthy als Megan herausragt. Männer dagegen finden sich ganz auf Nebenrollen mit wenig Text reduziert. Und es kommt noch schlimmer: Es wird auch kaum über sie geredet. Die zentralen Konflikte drehen sich nicht um die Verhältnisse der Frauen zu den Männern, sondern um ihre Beziehungen untereinander. Wobei Annies Verunsicherung darüber, was durch Lillians Hochzeit mit ihrer Frauenfreundschaft passiert, die melancholische Grundierung der Komödie bildet.

Das Erstaunliche ist nun, dass "Brautalarm" trotz dieser Frauenzentriertheit, die selbst im Romcom-Genre eine Seltenheit ist, mittlerweile mehr als 150 Millionen Dollar einspielte und damit den bisher von "Sex And The City" gehaltenen Rekord für einen Film seiner Art gebrochen hat. Ein Erfolg dieser Größe hinterlässt in Hollywood stets seine Spuren. Wo bislang die Devise galt, dass es leichter sei, den Disney-Studios einen nichtjugendfreien Film zu verkaufen als eine Produktion mit anspruchsvollerem Frauenbild auf die große Leinwand zu bringen, hört man nun von einer ganzen Reihe weiblich ausgerichteter Projekte, die endlich grünes Licht bekommen. Und natürlich laufen auch schon die Gespräche zu "Brautalarm II".

Dabei herrscht eine gewisse Unsicherheit darüber, worin nun genau das Erfolgsgeheimnis von "Brautalarm" besteht. Sind es die talentierten Komikerinnen, allen voran die geniale Kristen Wiig, die hier endlich einmal zeigen dürfen, was sie drauf haben, und die gängige Lehrmeinung von wegen Frauen seien schön, aber nicht komisch, widerlegen? Ist es der "Jungsfilmhumor", der mit Gags zu Körperausscheidungen und misslichen Sexsituationen Filmen wie "Hangover" oder "Jungfrau (40), männlich, sucht …" ein feminines Paroli bietet? Oder ist es der Schock über den unanständigen Humor, der Frauen auf eine Weise zeigt, wie man bislang dachte, dass sie niemand sehen will, weder das männliche noch das weibliche Publikum?

Bevor die Nachfolgeprojekte in dieser Hinsicht mehr Klarheit verschaffen, muss man sich auf eine erste Zahlenanalyse verlassen. Während eine "Männerkomödie" wie "Hangover" unter seinen Zuschauern gute 40 Prozent Frauen verzeichnet, sind es bei "Frauenkomödien" wie "Sex And The City" kaum 20 Prozent Männer, die mit ins Kino gehen. "Brautalarm" aber brachte es in den ersten Tagen auf hoffnungsvolle 35 Prozent männliches Publikum. Wer den Film gesehen hat, mag diesen Erfolg nicht allein dem derben Humor der Marke Judd Apatow zuschreiben, der "Brautalarm" auf mal mehr und mal weniger effektvolle Weise durchzieht. Es kann nämlich auch gut daran liegen, dass die hier so wunderbar verhalten komisch von Kristen Wiig ausagierten Konflikte gleichzeitig sehr spezifisch weiblich als auch universell sind. Das eigene Ungeschick und die eigenen Selbstzweifel im Clinch mit der vermeintlichen körperlichen und geistigen Perfektion der anderen - das ist ein Kampf, den auch Männer ausfechten. Und noch etwas, so grob die Gags auch werden, merkt man "Brautalarm" doch immer eines an: Es ist ein Film, der Frauen mag.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.