Liberale Juden warten auf Anerkennung

Kölns Synagogen-Gemeinde hat den liberalen Glaubensbrüdern bis jetzt noch keine finanzielle Unterstützung gewährt. Die berufen sich auf den Staatsvertrag und finden bis zu einer Einigung Unterschlupf in einer evangelischen Kirche

KÖLN taz ■ In Köln ringen rund 80 Mitglieder der „Liberalen Jüdischen Gemeinde“ um ihre Anerkennung. Weil an allen Ecken und Enden das Geld fehlt, finden die Gottesdienste der Reformjuden zur Zeit nur in einem schlichten Kellerraum einer evangelischen Kirche statt. Die Gemeinde hofft darauf, irgendwann einmal von den orthodoxen Glaubensbrüdern der Synagogen-Gemeinde ernst genommen zu werden. Das würde nach dem Staatsvertrag vom 27. Januar 2003 zur Kirchenfinanzierung aber auch eine finanzielle Unterstützung bedeuten – und dagegen wehren sich die etablierten Juden bisher.

Der Streit wird auch auf Bundesebene geführt, obwohl der Staatsvertrag zwischen dem Zentralrat der Juden in Deutschland und der Bundesrepublik eine Einigung der beiden Kirchen vorsieht. Der Zentralrat, sagen die Kritiker, komme seinen Verpflichtungen nicht nach, alle Richtungen im deutschen Judentum an der staatlichen Förderung teilhaben zu lassen. Getan hat sich zwar in Städten wie Berlin etwas, wo beide Seiten jetzt besser zusammenarbeiten. In Köln aber ist das anders – und hat mit einer besonders großen jüdischen Gemeinde auch weit reichende Auswirkungen.

Die „Liberalen Juden“ der Kölner Gemeinde „Gescher La Massoret“ haben sich – wie auch die anderen liberalen Gemeinden in Deutschland – zum Ziel gesetzt, das Judentum „in Einklang mit der heutigen Zeit“ zu leben. Dazu gehört nach Angaben des Gemeindesprechers Aaron Knappstein etwa, dass auch weibliche Mitglieder den Gottesdienst leiten dürfen. Finanziert werden die Aktivitäten ausschließlich aus Spenden. Geld nach dem Staatsvertrag hat die Liberale Gemeinde noch nicht bekommen.

Für dessen Verteilung sind die jeweiligen Landesverbände des Zentralrats zuständig, wobei der NRW-Landesverband ebenfalls in der Kölner Synagoge in der Roonstraße sitzt. Dort aber will man sich mit dem Thema offenbar nicht so gerne auseinander setzen – zumindest nicht öffentlich: Auf Anfrage wollte sich die Synagogen-Gemeinde nicht äußern. „Köln ist eine sehr orthodoxe Gemeinde“, spekuliert Knappstein über die Beweggründe. Bei diesem Streit gehe es aber „nicht so sehr um wirklich religiöse Fragen, sondern um Einfluss und Geld“.

„Wir werden aber weiter kämpfen“, schildert Knappstein. Doch er will nicht nur die finanziellen Probleme angehen, sondern auch politisch und gesellschaftlich für mehr Anerkennung seiner Gemeinde werben. „Wir werden das Gespräch mit Kommunalpolitikern suchen“, kündigte er an, „damit unsere Rolle in der pluralistischen Gesellschaft ernster genommen wird.“ Frank Überall