Erster Vegan-Supermarkt mit Vollsortiment: "Wir sind überrannt worden"

Im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg eröffnete Europas erster Supermarkt mit ausschließlich pflanzlichen Produkten. Betreiber Bredack sagt: Bisher kamen fünfmal so viele Käufer wie kalkuliert.

Politische Bewegung oder Ernährungseinstellung: Für viele ist Veganismus beides. Bild: hobvias sudoneighm | CC-BY

BERLIN dapd | Veganer müssen bei fleischlosen Genüssen auf so gut wie nichts verzichten- nicht einmal aufs Grillen. Die abgepackten Würstchen im Supermarkt von Jan Bredack sehen aber nur äußerlich so aus, als ob sie tierisch seien. In ihnen stecken hauptsächlich Soja, Weizen oder Lupinen. Von tierischen Rückständen keine Spur, ebenso wie bei den übrigen fast 6.000 Produkten.

Das hat sich schnell in Berlin herumgesprochen. Der nach eigenen Angaben erste vegane Vollsortiment-Supermarkt Europas im Stadtteil Prenzlauer Berg erlebt wenige Tage nach seiner Eröffnung einen Besucher-Ansturm.

Jan Bredack steht vor den ersten leeren Regalen. Der Geschäftsführer sucht nach Erklärungen. "Wir sind überrannt worden." 1.000 zahlende Kunden seien allein am Eröffnungstag am Samstag vergangener Woche in den Supermarkt namens "Veganz" in der Schivelbeiner Straße geströmt. Offenbar trifft Bredack das Lebensgefühl der überwiegend grünen Wählerschaft im mittlerweile von Familien geprägten Kiez. Die folgenden Tage waren es nach Bredacks Worten täglich zwischen 400 und 500 Personen. Mit 100 im Schnitt hat er kalkuliert, damit die Kaufhalle keine roten Zahlen schreibt.

Marktlücke Veganer-Supermarkt

Jan Bredack war sich sicher, dass sein Geschäftsmodell aufgeht. Ein Supermarkt mit Produkten für Veganer sei eine Marktnische, "ein total ausgetrocknetes Feld". Der 39-Jährige zählt sich selbst zu den Veganern und kennt die aufwendige Suche nach Lebensmitteln. "Produktbeilagen studieren oder im Internet bestellen - das nimmt Zeit in Anspruch", sagt er, während immer wieder Kundschaft in seinen Laden kommt. Nach Einschätzung der Veganen Gesellschaft Deutschlands gibt es bundesweit mehr als 600.000 Menschen, die sich tierfrei ernähren.

Rund 9.000 davon lebten allein in Berlin, schätzt Bredack. "Und es gibt nur zwei richtige vegetarische Restaurants." Ein Bild, das sich auch auf andere Gebiete Deutschlands projizieren lasse. Bis 2014 will der Geschäftsführer in 18 deutschen Städten weitere Filialen eröffnen, Leipzig und Berlin-Friedrichshain folgen als Nächstes. Zürich und Wien sollen 2012 erschlossen werden.

Firmen aus aller Welt

Zwei Jahre lang haben Jan Bredack und sein mittlerweile 20-köpfiges Team nach veganen Waren Ausschau gehalten. 70 Firmen aus aller Welt beliefern mittlerweile den Supermarkt: Pizza aus den USA, sonnengereiftes Obst aus Thailand und Produkte einer Ölmühle aus Werder (Havel). In den Regalen stehen unter anderem Baby-Nahrung, Müsli, Brotaufstrich, 60 Sorten Schokolade, Brötchen, Torten und Konserven. Der Geschäftsführer geht durch den Markt und schaut sich zufrieden um.

Manuel Kahl sucht unterdessen Protein-Pulver. Der 18-Jährige aus Mainz ist seit einigen Jahren Veganer und verzichtet nach eigenen Worten aus Überzeugung auf Fleisch. "Ich koche mir mein Mittagessen selbst", betont er, und seine Mutter nickt. "Es ist zwar die gesündere, aber die teurere Ernährungsweise", fügt sie hinzu. "Wir haben bewusst Produkte für den Niedrig- und Normalverdiener im Sortiment", erklärt Bredack. "Aber auch für den Feinschmecker."

Überzeugte Veganer achten selbst beim Duschbad darauf, dass nur Produkte ohne Tierinhalt im Einkaufswagen landen, wie der Geschäftsführer erklärt. Er zeigt auf veganes Hundefutter, das es inzwischen gibt, Toilettenpapier, Waschmittel und nimmt die Kondome und das aus Rote Beete bestehende Reinigungsmittel aus Mecklenburg-Vorpommern aus dem Regal. Zwar leben nach Ansicht Bredacks Veganer gesünder als Fleischesser. Doch auch für Freunde fleischloser Kost gelte: Zu viele Chips können ansetzen. "Sie enthalten Öl und Fette – und machen nun einmal dick, auch bei Veganern."

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