Passungenauigkeiten

Der ausgebürgerte Schriftsteller Peter Paul Zahl und seine Schwierigkeiten, die deutsche Staatsbürgerschaft zurückzuerhalten

Auf den ersten Blick ist diese Geschichte reichlich skurril: Ein Schriftsteller führt einen Kampf gegen die Bürokratie, weil er ohne sein Wissen ausgebürgert wurde. Die Geschichte weist auch rührende Züge auf, denn der Schriftsteller hat Freunde, die sich um ihn kümmern. Allerdings sieht sich der Schriftsteller inzwischen existenziell etwas bedroht. Und vielleicht hat er auch deshalb Schwierigkeiten mit der Bürokratie, weil er nicht nur APO-Aktivist war, sondern nach einem Schusswechsel mit der Polizei im Jahr 1972 wegen versuchten Mordes zu 15 Jahren Haft verurteilt wurde.

Die Geschichte also beginnt damit, dass der seit 1985 wechselweise in Jamaika und Deutschland lebende Schriftsteller Peter Paul Zahl im September 2002 bei einem Besuch in der deutschen Botschaft in Kingston erfuhr, dass er schon seit 1995 kein deutscher Staatsbürger mehr sei und er seinen deutschen Pass abzugeben habe. Der Grund: Nachdem er 1995 auf Anraten der jamaikanischen Behörden einen jamaikanischen Pass beantragt und auch bekommen hatte, hätte er es versäumt, so das Auswärtige Amt in einem Schreiben an Zahl vom Dezember 2002, eine so genannte Beibehaltungsgenehmigung zu beantragen, die gewährleiste, dass er weiter deutscher Staatsangehöriger bleibe. Das aber, so Zahl hätte er seinerzeit nicht gewusst – die Formulare für solche Anträge auf behördliche Zustimmungen zum Erwerb ausländischer Staatsangehörigkeiten würden zwar im Rathaus in Ratingen ausliegen, nicht aber in der deutschen Botschaft in Kingston.

Zahl strengte ein Verfahren vor dem Berliner Verwaltungsgericht an, schrieb einen offenen Brief an Joschka Fischer („Drum sag, Joschka“, schließt er diesen, „ist es nicht ein wunderbares Privileg, über zwei Länder, zwei verschieden Kulturen schreiben zu können? Ist es da nicht geradezu eine Pflicht, zwei Pässe zu haben? Wäre es da nicht angebracht, du machtest mich zum Kulturattaché der deutschen Botschaft in Kingston?“) und stellte beim Bundesverwaltungsamt in Köln einen Antrag auf Wiedereinbürgerung. Bislang erfolglos. Nun lässt man sich Zeit beim Verwaltungsgericht in Berlin, da eine Prüfung des Falls erst wieder nach Tilgung von Zahls Strafregistereinträgen Ende Mai erfolgt, genauso wie beim Bundesverwaltungsamt in Köln, für das Zahl nun seine „Eigenschaft als Deutscher“ mit Sprachkenntnissen, Ahnennachweisen etc. nachweisen muss. Nur bereitet die Ausbürgerung Zahl inzwischen finanzielle Probleme, da in seinem jamaikanischen Pass steht: „Keine Arbeitserlaubnis in den Schengener Staaten“. Bezahlte Lesereisen und Theaterarbeit lassen sich mit einem Touristenvisum nicht machen, und obwohl Zahl eine Pension auf Jamaika führt, kann er seinen Lebensunterhalt ohne hiesige Einkünfte nur schwer bestreiten.

Eingeschaltet hat sich jetzt auch der hiesige Fan- und Freundeskreis von Zahl. Nachdem der Spiegel diese Woche über Zahls Probleme berichtet hatte, luden zwei in der Auslandsarbeit tätige Vereine zusammen mit Zahls Rechtsanwalt Harald Remée zu einer Pressekonferenz in die Kreuzberger Kneipe „Enzian“, die der ehemals „falsche Heino“ Norbert Hähnel betreibt.

Im schummrigen Kneipenlicht wurde dort die Causa Zahl vorgestellt, vor einer blau leuchtenden „Herforder-Pils“-Neonröhre und hinter einer kleinen Auslage mit Büchern von Zahl, u. a. seinem Frühwerk „Von einem, der auszog, Geld zu verdienen“. Insgesamt eine schön urige Kreuzberger Szenerie, in der sich allerdings nur ein Journalist und ansonsten ein Dutzend Freunde und Sympathisanten von Zahl bewegten. Der per Telefon zugeschaltete Zahl zeigte sich dann ob der mangelnden Presseresonanz auch etwas enttäuscht.

GERRIT BARTELS