Putzen, bügeln, glotzen

Hausfraulichkeit statt Liebesglück: Furios hat Philipp Kochheim „Hoffmanns Erzählungen“ in Oldenburg inszeniert

„Das Werk gibt es nicht, man muss es immer neu erfinden“, sagte einst der Stuttgarter Intendant Klaus Zehelein über Jacques Offenbachs einzige Oper. Das stimmt noch immer. Zwar ist nach und nach eine Fülle von Material zu „Hoffmanns Erzählungen“ aufgetaucht. Doch was Offenbach wirklich wollte, wird nie mehr herauszufinden sein. Der Komponist starb 1880 über der Partitur.

Der junge Regisseur Philipp Kochheim wagte nun am Staatstheater Oldenburg eine aufregende Interpretation. Erzählt der schon angetrunkene Poet Hoffmann seine drei unglücklichen Liebesgeschichten sonst wertfrei nacheinander – die von der Puppe Olympia, die von der lungenkranken Sängerin Antonia und die von der Kurtisane Giulietta –, so bindet Kochheim sie zusammen. Er gewinnt dadurch eine bestechende Sicht auf die nach Theodor W. Adorno „erste romantische Oper mit einem modernen Sujet“. Kochheim stellt nicht nur den Antonia-Akt an den Anfang, diese stirbt auch nicht, sondern verlässt Vater und Hoffmann, um Sängerin zu werden. Deshalb macht Hoffmann sich auf die Suche nach ihrem Ebenbild. Er bestellt im Menschen-Labor Spalanzani einen Retortenmenschen und landet am Ende im Bordell: „Schöne Nacht, o Liebesnacht“ bewirkt in dieser Inszenierung den berühmten Kloß im Hals. Die Entzauberung der Welt nennt Kochheim das Thema der Oper. Es geht um Geld und Entfremdung.Die Muse, die Hoffmann immer begleitet, ist hier eine recht gierige Verlagsvertreterin, die den Dichter regelrecht treibt. Dessen Scheitern im Leben ist die Voraussetzung dafür, dass er Kunstwerke schafft.

Die Bilder, die Kochheim für seine mutige Konzeption findet, haben scharfe Konturen, sind von faszinierender Präzision und geradezu unbändiger Lust am Theater. Nur einige Beispiele im ebenso einfallsreichen Bühnenbild von Friedrich Despalmes: Wenn Hoffmann im ersten Bild sein berühmtes Lied von „Klein-Zack“ nicht in der Theaterkneipe, sondern auf einer Künstlerparty singt, imitiert er einen Rocksänger. Mit leidenschaftlichen Ausbrüchen steigert er sich immer mehr in den Wahnsinn und muss im Olympia-Bild sogar einmal festgeschnallt werden. Olympia hingegen brilliert durch hausfrauliche Fähigkeiten, bügelt, putzt und kocht extensiv, was jegliche Liebesfähigkeiten untergräbt: Öde sitzt das Paar vor der Glotze.

Ein solches Konzept müssen die SängerInnen auch umsetzen können. Und auch da gibt es nur Bestes zu berichten: allen voran Markus Petsch als lebensgieriger, stimmstarker Hoffmann, eine Riesenleistung, nicht minder beeindruckend Anja Metzger als Antonia und Elena Fink als Olympia. Das Staatsorchester unter Leitung von Eric Solèn wird noch an Genauigkeit zulegen müssen, der gestische Ansatz stimmte.

Ute Schalz-Laurenze