Ein völlig normalisiertes Verhältnis

Bundeswehr-Gelöbnis und Großer Zapfenstreich auf dem Rathausmarkt: Die Hamburger Innenstadt wurde zum Sperrgebiet, der Rathausmarkt zum Hochsicherheitstrakt, und ein Schill-Abgeordneter läuft in Uniform zur Hochform auf

von PETER AHRENS

Vor dem Bürgermeister stehen 598 junge Männer aus Hamburg, Cuxhaven und Schwanewede stramm. Ole von Beust spricht zu ihnen und sagt: „Unser Verhältnis zu den Soldaten hat sich normalisiert – wie das der Deutschen zum Militär insgesamt.“ Für den gestrigen Tag kann dieser Satz allerdings nicht ganz stimmen. Die Hamburger Innenstadt ist Sperrgebiet, die Gegend direkt um den Rathausmarkt wie ein Hochsicherheitstrakt abgeriegelt, 3000 Sicherheitskräfte von Polizei und Militär im Einsatz. Alles zu Ehren der Bundeswehr, die auf Betreiben von Schwarz-Schill gestern ihr feierliches Gelöbnis und den Großen Zapfenstreich abhielt.

Gegner des zuletzt vor 26 Jahren in Hamburg aufgeführten Rituals waren, nachdem sie vor Gericht gescheitert waren, weiträumig umgeleitet worden (siehe nebenstehender Text). „Sie müssen sich nicht verstecken und nicht versteckt werden“, sagt von Beust (CDU) zu den Rekruten, und dem zum Trotz findet das Spektakel am Abend unter Auschluss der Öffentlichkeit statt. Tribünen für Ehrengäste und Presse sind aufgebaut, Angehörige dürfen etwas näher heran, doch die Bevölkerung bleibt draußen. Ab und zu dringt ein Trillerpfeifen-Pfiff und Buh-Ruf auf den Rathausmarkt, aber ansonsten haben die Sicherheitsleute ganze Arbeit geleistet.

Der Abschied der Panzerbrigade aus Fischbek als Hamburgs letzter Kampfeinheit ist der Anlass des Zapfenstreiches nach Einbruch der Dunkelheit, für den auch Bundesverteidigungsminister Peter Struck (SPD) nach Hamburg gekommen ist, wissend, dass seine ParteifreundInnen im Unterschied zur GAL die Veranstaltung unterstützen, nicht zuletzt, um ihren prominenten Parteifreund nicht zu desavouieren. Struck spricht davon, dass die Soldaten sich „mit ihren Überlegungen und Ansichten verantwortungsbewusst in die Öffentlichkeit einbringen“ sollen.

Außer den Soldaten bekommt das allerdings niemand so recht mit von der besagten Öffentlichkeit. Schon bei der Stellprobe am Nachmittag, bei der die Soldaten ihren Auftritt für den Abend trainieren, gleicht der Rathausmarkt einem Geisterplatz. Das Café im Rathaus-Innenhof ist geschlossen. Wer einkaufen will, muss sich schon weit vor dem Rathausmarkt einer Gesichtskontrolle unterziehen, was manchmal für Ärger an den Straßensperren führt, die meisten PassantInnen lassen das allerdings relativ gleichmütig über sich ergehen.

Auch im Rathaus haben die Militärs an diesem Tag das Sagen. Der Schill-Abgeordnete Christian Brandes hat seine Bundeswehr-Uniform aus dem Schrank geholt und rennt mit stolzgeschwellter Brust durchs Rathausfoyer. Ole von Beust, dessen CDU die treibende Kraft im Senat für das Gelöbnis ist, sagt an die Soldaten gerichtet: „Sie sind längst Teil unserer Stadt.“ An diesem gestrigen Montag stimmt das.

Dafür sind alle anderen HamburgerInnen an diesem Tag nicht mehr Teil der Innenstadt. Das eigentliche feierliche Gelöbnis und der Große Zapfenstreich waren erst nach Redaktionsschluss angesetzt. Am späten Abend wollte auch Struck auf einer Pressekonferenz zu der Zeremonie und ihren Umständen Stellung nehmen.