Kakanien in Zahlen

Von den 75 Millionen Einwohnern der EU-Beitrittsländer leben 67 Millionen in jenen fünf Ländern, die bis 1918 ganz oder teilweise zu Österreich-Ungarn gehörten. Das sind rund 90 Prozent der Menschen, die am 1. Mai zu neuen EU-Bürgern werden. Bislang gehörte von den Nachfolgestaaten der Doppelmonarchie nur Österreich zur Union. Das Land verfügt in der Region über großen wirtschaftlichen Einfluss. Die Wiener Versuche, auch eine politische Führungsrolle einzunehmen, sind allerdings schon in den Neunzigerjahren kläglich gescheitert.

Die Abkürzung „k. k.“ (kaiserlich-königlich) war bereits im 18. Jahrhundert gebräuchlich. Nach dem österreichisch-ungarischen Ausgleich von 1867 wurden damit Behörden und staatliche Einrichtungen der westlichen Reichshälfte bezeichnet, im Unterschied zu königlich-ungarisch für die östliche Reichshälfte. Die Bezeichnung „k. u. k.“ (kaiserlich und königlich) galt für gemeinsame Behörden und Einrichtungen der österreichisch-ungarischen Monarchie wie das gemeinsame Heer, das Außenministerium oder den Finanzminister. Den Ausdruck „Kakanien“ prägte der Schriftsteller Robert Musil in seinem Roman „Der Mann ohne Eigenschaften“. Darin schreibt er: „Kakanien war der Staat, der sich selbst irgendwie nur noch mitmachte. Und darin war Kakanien, ohne dass die Welt es schon wusste, der fortgeschrittenste Staat.“

Am Vorabend des Ersten Weltkriegs umfasste Österreich-Ungarn eine Fläche von 680.000 Quadratkilometern. Es war damit doppelt so groß wie die heutige Bundesrepublik Deutschland. Von den 53 Millionen Einwohnern waren zuletzt rund 25 Prozent Deutsche, 17 Prozent Ungarn, 13 Prozent Tschechen sowie 11 Prozent Kroaten und Serben. Die Polen machten 9 Prozent der Bevölkerung aus, die Ukrainer 8 Prozent, die Rumänen 7 Prozent und die Slowaken 4 Prozent. Im äußersten Südwesten gab es 3 Prozent Slowenen und 2 Prozent Italiener.

Die beiden Reichshälften verfolgten zwischen 1867 und 1914 eine höchst unterschiedliche Nationalitätenpolitik. Die ungarische Regierung setzte in den Schulen und Behörden des Königreichs die ungarische Sprache rücksichtslos durch. Die slowakische Minderheit im Norden und die Rumänen in Siebenbürgern mussten sich weitgehend assimilieren. Im österreichischen Teil der Monarchie nahm der Gebrauch der Minderheitensprachen dagegen zum Missfallen der Deutschen ständig zu. Besonders umstritten war der Status der Tschechen, die in der Hauptstadt Wien zuletzt 4 Prozent der Bevölkerung stellten. Zur Lösung der Nationalitätenfrage schlugen die österreichischen Sozialdemokraten vor, Minderheitenrechte nicht an ein bestimmtes Territorium zu knüpfen, sondern an einzelne Personen.

Kaiser Franz Joseph I., der von 1848 bis 1916 regierte, führte folgende Titel: „Kaiser von Österreich, Apostolischer König von Ungarn, König von Böhmen, Dalmatien, Kroatien, Slawonien, Galizien, Lodomerien und Illyrien; König von Jerusalem etc.; Erzherzog von Österreich, Großherzog von Toskana und Krakau, Herzog von Lothringen, Salzburg, Steier, Kärnten, Krain und der Bukowina, Großfürst von Siebenbürgen, Markgraf von Mähren, Herzog von Ober- und Niederschlesien, von Modena, Parma, Piacenza und Guastalla, von Auschwitz und Zator, von Teschen, Friaul, Ragusa und Zara; gefürsteter Graf von Habsburg und Tirol, von Kyburg, Görz und Gradisca, Fürst von Trient und Brixen, Markgraf von Ober- und Nieder-Lausitz und in Istrien, Graf von Hohenembs, Feldkirch, Bregenz Sonnenberg etc.; Herr von Triest, Cattaro und auf der Windischen Mark, Großwojwod der Wojwodschaft Serbien etc. etc. etc.“

Neben zahlreichen Büchern über die Geschichte einzelner Nationen gibt es nur wenig Überblicksliteratur über die Doppelmonarchie im Ganzen, darunter den Band des Historikers Alan Sked: „Der Fall des Hauses Habsburg. Der unzeitige Tod eines Kaiserreichs.“ Siedler Verlag, Berlin 1993, 344 Seiten, 24,90 Euro. RAB