Regierung wegen Irakkrieg unter Druck

Berichten des eigenen Geheimdienstes zum Trotz hat Dänemarks Premier Anders Fogh Rasmussen das Parlament bezüglich irakischer Massenvernichtungswaffen belogen. Heute sollen die geheimen Dokumente dem Parlament vorgelegt werden

VON REINHARD WOLFF

„Es ist nicht etwas, was wir nur glauben. Es ist etwas, das wir wissen.“ Mit diesen Sätzen belog Dänemarks Ministerpräsident Anders Fogh Rasmussen das Parlament, um es am 18. März 2003 zur Absegnung eines dänischen Militäreinsatzes im Irak zu bewegen. Der Hauptgrund für Dänemarks Beteiligung am Krieg seien die Massenvernichtungswaffen. Davon wisse man auch aus eigenen Geheimdienstquellen.

Die Lügen, die George W. Bush und Tony Blair schon eingeholt haben, haben jetzt auch Rasmussen erwischt. Hatte die Regierung zunächst die Veröffentlichung von Erkenntnissen über irakische Massenvernichtungswaffen mit Rücksicht auf den Schutz geheimer Quellen abgelehnt, machte sie vor einigen Wochen eine Kehrtwende. Aus politischen Gründen sei Dänemark in den Krieg gezogen und habe jetzt noch Truppen im Irak, erklärte Rasmussen den Abgeordneten: „Es wäre ein falsches Signal an die Diktatoren dieser Welt gewesen, nicht teilzunehmen.“

Spätestens seit letzter Woche steht fest, dass das Lügengebäude der Regierung offenbar noch wesentlich umfangreicher ist. Vom eigenen Auslandsnachrichtendienst wusste Rasmussen vor seiner 18.-März-Rede, dass Saddam Hussein die Massenvernichtungswaffen definitiv nicht hatte. „Ich merkte, dass ich das Puzzleteil in der Hand hatte, um das sich die Debatte drehte“, erklärte Frank Søholm Grevil gegenüber der linken Tageszeitung Information. „Ich wusste, was wir in unseren Berichten geschrieben hatten. Aber wenn man die Regierung hörte, hatte man den Eindruck, als ob niemand das gelesen hätte.“

Bis zum vergangenen Monat war Grevil Mitarbeiter von Forsvarets Efterretningstjeneste (FE), dem dänischen BND bzw. MI 6. Dann wurde er gefeuert. Grevil arbeitete die Teile in den Geheimdienstberichten aus, die sich mit den angeblichen Massenvernichtungswaffen des Irak beschäftigten. Zehn solcher Berichte erhielt die Regierung zwischen September 2002 und März 2003. Alle mit einem Tenor: Es gebe keine Erkenntnisse, dass der Irak operative Massenvernichtungswaffen besitze. Ein entsprechendes FE-Dokument präsentierte die Zeitung Berlingske Tidende im Februar. Sie hatte es von Grevil bekommen, gegen den die Staatsanwaltschaft wegen Geheimnisverrats und Verstoßes gegen seine dienstliche Schweigepflicht ermittelt.

Doch Grevil lässt sich nicht beirren. Er sei überzeugt, dass sein „Geheimnisverrat“ ein Dienst an der Demokratie sei, „auch wenn er jetzt der Regierung schadet“.

Das tut er. Sozialdemokraten, Sozialisten und Liberale fordern, dass die Regierung genau präsentiert, worauf sie sich beim Beschluss zur Kriegsteilnahme stützte. Da klar ist, dass mehrere Medien auf dem FE-Material sitzen, das die Regierung zurückhält, reagierte der Premier mit Panik. Übers Wochenende wurde der Geheimdienst angewiesen, die Papiere von den Stellen zu reinigen, welche die Staatssicherheit oder einzelne Informanten gefährden könnten. Heute sollen die geheimen FE-Berichte dem Parlament präsentiert werden.

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