Verfassungsgericht bestätigt Pflegestufe null

Karlsruhe: Auch wenn Demente rund um die Uhr beobachtet werden müssen, muss Pflegeversicherung nicht zahlen

FREIBURG taz ■ Nicht alles, was im Volksmund als „Pflege“ bezeichnet wird, muss die Pflegeversicherung bezahlen. Dies hat jetzt das Bundesverfassungsgericht entschieden. Der Gesetzgeber habe bei der Gestaltung der Pflegeversicherung einen „weiten Spielraum“, heißt es in einem Grundsatzbeschluss.

Nur wer ein gewisses Mindestmaß an Hilfe bei der Verrichtung des täglichen Lebens benötigt, erhält demnach Leistungen aus der 1994 eingeführten Pflegeversicherung. Für die leichteste Pflegestufe eins ist zum Beispiel erforderlich, dass der Betroffene im Schnitt mehr als 90 Minuten Hilfe pro Tag für Körperpflege, Ernährung, Mobilität und Hauswirtschaft benötigt.

Zwei Verfassungsbeschwerden hatten vor dem Gerichtsbeschluss bemängelt, dass bei der Berechnung des Hilfsbedarfs nicht die Zeit allgemeiner Beaufsichtigung und Betreuung mitgerechnet wurde, sondern nur die Hilfe bei konkreten Tätigkeiten. Dies führe dazu, dass ein Teil der Altersdementen, psychisch Kranken und geistig Behinderten keine Leistungen aus der Pflegeversicherung erhielten, obwohl rund um die Uhr jemand nach ihnen sehen müsse.

Kritiker dieser Einstufungspraxis sprechen abschätzig von der „Pflegestufe null“. In sie fallen bundesweit etwa 260.000 Menschen, schätzt die Krankenkasse AOK. Ambulant pflegende Angehörige bekommen von der Pflegeversicherung in solchen Fällen keinen Pfennig. Für eine stationäre Betreuung in einem Heim müssen der Betroffene selbst oder Angehörige aufkommen – wenn nicht die Sozialhilfe einspringt.

Nach dem Gerichtsbeschluss muss sich daran auch künftig nichts ändern. Der Gesetzgeber dürfe die Pflegeversicherung so ausgestalten, dass sie finanzierbar bleibt und die „Beitragsbelastung dauerhaft auf einem vertretbaren Niveau“ gehalten werden kann, erklärten die Verfassungsrichter. Sie bestätigten mit diesem Beschluss die bisherige Karlsruher Linie im Sozialrecht.

Allerdings sind Demente, psychisch Kranke und geistig Behinderte keineswegs vollständig von der Pflegeversicherung ausgeschlossen, betonten die Richter. Wenn die Betroffenen regelmäßig fremde Hilfe bei der Ausführung konkreter Tätigkeiten benötigten – etwa beim Aufstehen, Anziehen, Essen oder Waschen –, dann würden sie auch von einer der drei Pflegestufen erfasst.

CHRISTIAN RATH