Neue Baupläne für Berlins Mitte: Schinkel in den Schatten gestellt

Ein Investor will die Friedrichswerdersche Kirche hinter Townhouses verschwinden lassen. Das regt grüne Baupolitiker, aber auch Architektenverbände auf.

Die Friedrichswerdersche Kirche - hier im Spiegelbild der Fassade des Auswärtigen Amts - könnte hinter Beton verschwinden, befürchten Architekturexperten. Bild: DPA

Die Friedrichswerdersche Kirche droht hinter Beton zu verschwinden. Direkt neben dem Schinkel-Bau von 1831 - zwischen Außenministerium, Oberwallstraße und Kronprinzenpalais gelegen - will der Projektentwickler Bauwert Investment Group ab dem kommenden Jahr Wohngebäude, eine Ladenzeile sowie ein Galerie- und Atelierhaus hochziehen. "Kronprinzengärten" nennt sich das Vorhaben.

Auf der knapp 3.500 Quadratmeter großen Fläche, die westlich der Kirche liegt und seit DDR-Zeiten als Autostellplatz und für den Weihnachtsmarkt genutzt wird, werde der "überwiegende Flächenanteil mit anspruchsvollen Townhouses für luxuriöse Wohn- und Geschäftshäuser bebaut", erklärt Bauwert-Sprecher Henning Hausmann.

An den Ecken des trapezförmigen Blocks sollen die fünf- und sechsstöckigen Häuser zu kleinen Türmen wachsen. Geteilt wird das Kronprinzen-Quartier von Süd nach Nord durch eine schmale Fußgängerzone - die 90 Meter lange historische Falkoniergasse. Experten rechnen damit, dass die noblen Häuser nach der Fertigstellung nicht unter 10.000 Euro pro Quadratmeter zu haben sein werden. Die Bauwert-Group hatte das Filetgrundstück vor fünf Jahren vom Berliner Liegenschaftsfonds erworben. Bereits im "Planwerk Innenstadt" aus dem Jahr 1999 war vorgesehen, dort Geschäfts- und Wohnbauten zu errichten, die aber nie realisiert wurden. Bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs war der Werdersche Markt dicht bebaut, erst Bomben und Abrisse ließen das weite Areal samt Kirche zurück. Auch die östliche Seite der Kirche soll mit Stadthäusern bebaut werden.

Nur fünf Meter Abstand

Die Fraktion der Grünen im Abgeordnetenhaus, Stadthistoriker und Architektenverbände gehen jetzt mit dem aktuellen Projekt scharf ins Gericht. Nach Meinung von Astrid Schneider, Architektin und grünes Mitglied im Bauausschuss, liegen die Kronprinzengärten "mit nur fünf Meter Abstand zu dicht an der Schinkel-Kirche". Neben einem so bedeutenden Baudenkmal "muss man rücksichtsvoller bauen", so Schneider zur taz.

Sie kritisiert außerdem, dass das "viel zu hoch geplante Ensemble" an der Oberwall- und Rosenstraße mit Bauhöhen von über 26 Metern die Traufkante des Kirchenschiffs überrage. "Das stört optisch enorm", von der Französischen Straße aus sei die Kirche kaum mehr wahrnehmbar, zugleich verschatte die Höhe die hinteren Kirchenfenster, findet Schneider.

Besonders ärgert sich die Grünenpolitikerin darüber, dass das Projekt trotz der vielen Vorbehalte jetzt im "Eilverfahren" durch den Bauausschuss geschoben wird und vom Parlament noch am 1. September, in der letzten Sitzung des Abgeordnetenhauses vor den Wahlen, "abgenickt" werden soll. "So werden irreversible Fakten geschaffen."

Unterstützung erhält Schneider von Architekten und Denkmalschützern. Peter Lemburg, Vorstandsmitglied im Berliner Architekten- und Ingenieurverein AIV, beklagt, es sei "inakzeptabel, dass die Neubauten namens Kronprinzengärten die Friedrichswerdersche Kirche in den Schatten stellen". Jede Neubebauung müsse das Denkmal respektieren. "Wünschenswert wäre in jedem Fall eine lockere Bebauung und ästhetischer Abstand zum Denkmal", so Lemburg zur taz.

Richtig ist, dass der für das Vorhaben notwendige neue Bebauungsplan kurzfristig vorgelegt wurde und ohne lange Anhörungen von der rot-roten Mehrheit im Parlament verabschiedet werden soll. Richtig ist zudem, dass der Abstand zur Kirche äußerst gering gehalten ist, die Höhen enorm und die Baumassen massiv daherkommen. Auch dass an diesem Ort nur Luxuswohnungen entstehen werden, ist fragwürdig.

Fläche bereits abgesenkt

Richtig ist aber ebenso, dass der Investor nach Einwänden der Linksfraktion die Baumassen vereinzelt zurückgenommen hat. "Nach Gesprächen mit Bauwert wird das Turmhaus direkt an der Kirche nicht mehr so dominant", erklärt Thomas Flierl (Linke), Vorsitzender des Stadtentwicklungs-Ausschusses. Auch eine "viel modernere Architektursprache" habe man dem Investor abverlangt. Bauwert-Sprecher Hausmann weist darauf hin, dass der Projektentwickler die geplante Wohn- und Nutzfläche deutlich auf 9.500 Quadratmetern abgesenkt habe.

Den Grünen reicht das allerdings nicht: "Wir wollen, dass ein so wichtiges Projekt neben dem Schinkel-Denkmal so nicht realisiert wird", betont Schneider. Zu viele offene Fragen seien ungeklärt. Sie fordert Senat und Parlament auf, "ihren Umgang mit der historischen Mitte zu überdenken".

Zum Thema "Kronprinzengärten" lädt die Grünen-Fraktion am Donnerstag, 18. August, um 18 Uhr im Abgeordnetenhaus, Niederkirchnerstraße 5, Raum 311, zu einem Diskussionsabend. Eingeladen sind der Investor, Architekten, Denkmalschützer, Stadthistoriker.

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