Der Autoverkehr als globaler Killer

Alle 30 Sekunden stirbt ein Mensch auf der Straße. Die WHO warnt: In der Zukunft beschleunigt sich dieser Trend

BERLIN taz ■ Bis zum Jahr 2020 steigt die Zahl der Verkehrstoten weltweit um 60 Prozent, wenn die jetzige Entwicklung nicht gestoppt wird. Vor diesem „alarmierenden Trend“ warnt die Weltgesundheitsorganisation (WHO) anlässlich des heutigen Weltgesundheitstages, der in diesem Jahr unter dem Motto „Road Safety is no accident“ der Verkehrssicherheit gewidmet ist. Die WHO ruft dazu auf, das Thema weltweit ernster zu nehmen und aktiv die Verkehrssicherheit zu verbessern.

„Der Verkehr ist ein kritisches und schnell wachsendes Gesundheitsproblem“, sagt WHO-Generalsekretär Jong Wook Lee. Nach Zahlen von 1990 steht der Tod auf der Straße auf Platz 9 der 10 häufigsten Todesursachen weltweit. Nach Prognosen der WHO wird er bis 2020 auf Platz 3 dieser Statistik vorrücken. Zum Vergleich: Aids wird laut WHO auf Platz 10 der Liste stehen.

Schon jetzt stirbt nacht WHO-Angaben alle 30 Sekunden irgendwo auf der Welt ein Mensch im Straßenverkehr. Jährlich sind das 1,2 Millionen Todesfälle, schätzungsweise 20 bis 50 Millionen Menschen werden auf den Straßen schwer verletzt. „Betroffen sind vor allem die Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommensniveau“, sagt WHO-Generalsekretär Lee. Die Verkehrstoten dieser Länder machen 90 Prozent der globalen Straßenopfer aus. Statistisch gesehen ist laut WHO-Bericht ein männliches Kind in einem Entwicklungsland am meisten gefährdet, im Straßenverkehr umzukommen. Fast dreimal so viele Männer wie Frauen verlieren laut WHO ihr Leben auf den Straßen der Welt. Die Gründe: Jungen spielen eher auf der Straße, Männer besitzen eher ein Auto, fahren eher zu schnell und sitzen eher unter dem Einfluss von Alkohol am Steuer als Frauen.

Regierungen, Autobauer und die Öffentlichkeit sollten verstärkt Verkehrssicherheit zu einem Thema machen, rät die WHO. Es brauche nationale Sicherheitspläne und Behörden ebenso wie strengere Gesetze und bessere Straßen.

Die Schere zwischen den reichen und den armen Ländern geht weiter auseinander: Obwohl die Verkehrsdichte in den Industrieländern wesentlich höher liegt als in Entwicklungs- und Schwellenländern, ist die Zahl der Verkehrstoten hier rückläufig. In Deutschland starben 2003 insgesamt 6.618 Menschen im Verkehr – 3 Prozent weniger als im Vorjahr.

Im internationalen Vergleich zeigt sich für die WHO, dass die Zahl der Verkehrsopfer auch von der ökonomischen Situation eines Landes abhängt. In den einkommensstarken Ländern Europas sterben jedes Jahr durchschnittlich 11 Menschen pro 100.000 Einwohner. In armen Ländern sind es 17, in Afrika sogar über 28 Menschen.

Gründe dafür sieht die WHO darin, dass in den armen Ländern die Bevölkerung stärker zunimmt und ihre Motorisierung in den vergangenen Jahren erheblich gestiegen ist. Und diese „schnellen Veränderungen gehen nicht einher mit höheren Sicherheitsmaßstäben“, heißt es in dem Bericht.

Ein Beispiel für eine aktive Verbesserung der Verkehrssicherheit in den reichen Ländern zeigte in dieser Woche der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) mit der Vorstellung des „Tote-Winkel-Spiegels“. Mit ihm könnten Unfälle zwischen Lkws und Fahrradfahren verhindert werden. Dadurch gäbe es in Deutschland jährlich 300 Verkehrsopfer weniger.

Neben dem Leid, das Verkehrsunfälle verursachen, werden sie auch zunehmend zu einer wirtschaftlichen Belastung für die einzelnen Staaten. Die medizinische Versorgung von Opfern kostet pro Jahr 425 Milliarden Euro. In einigen Entwicklungsländern übersteigen die Kosten der Verkehrsunfälle die Höhe der Entwicklungshilfe. SASCHA TEGTMEIER