Wie Mann und Frau

Nach zehn Jahren kennt man beim deutsch-französischen Kanal Arte keine nationalen Unterschiede mehr – ein Besuch in der Straßburger Zentrale

AUS STRASSBURGSTEFFEN GRIMBERG

Die Arte-isten leben direkt am Ufer der Ill, mit Blick auf Europarat und EU-Parlament. Sie haben einen eigenen Präsidenten, eine Kantine mit Michelin-Stern, sind überwiegend zweisprachig und haben neulich sogar ein neues europäisches Land entdeckt: Slawonien. Das, sagt Chefredakteur Gérard Saint-Paul, war nur am Anfang ein Übersetzungsfehler – „jetzt schätzen wir dieses Land“. Fernsehen, lernt man bei Arte, kann so schön sein.

Vor allem, wenn der Schock des Schreckensjahres 2003 nachlässt: Der Kulturkanal war im deutschen TV-Kabel weit nach hinten gerutscht, weil Arte wie Kinderkanal wegen der neuen längeren Sendezeiten nicht mehr auf den ehemals gemeinsamen Kabelplatz passten. Dann wechselte auch noch die Senderposition beim Satellitenempfang, und weg war ein guter Teil der Zuschauer.

Jetzt, im Frühjahr 2004, sind sie wieder da, die meisten jedenfalls. Natürlich hat Arte weiterhin weit bessere Quoten in Frankreich als in Deutschland, was wohl nicht nur daran liegt, dass der Sender hierzulande einer von knapp 40 ist. Andererseits ist, auf der anderen Seite des Rheins, Arte einer von nur fünf frei empfangbaren Kanälen. Und dann ist da noch die Sache mit der Kultur: Arte isti ein Kultursender, „die kulturelle Diskussion ist in Frankreich immer präsent“ sagt Arte-Präsident Jérome Clément, und auch das Medium Fernsehen schrecke nicht ab. „Das ist einfach ein Unterschied zwischen Frankreich und Deutschland.“

Seit Januar macht Arte noch 15 Minuten mehr Kultur. Täglich, um 20 Uhr. „Arte Kultur“ ist bewusst gegen die großen Nachrichtensendungen beider Ländern gesetzt, „die sportliche Herausforderung“, sagt Gérard Saint-Paul, „ist groß“.

Dass „Arte Info“ gerne mal mit Israel und dem Palästina-Konflikt aufmacht, obwohl sowohl in Frankreich wie in Deutschland national „Wichtigeres“ passiert, ist Programm: „Wir setzen klar auf die komplementäre Karte“, sagt der stellvertretende Redaktionschef Michael Unger, „uns sind andere Dinge wichtig: Menschenrechte, Sozialpolitik, Umwelt – und natürlich Europa“. Standpunktjournalismus wollen die 18 festen Redakteure liefern, nicht „lau“ sein, wie Saint-Paul formuliert.

Dafür gibt es einen bescheidenen Etat von fünf Millionen Euro pro Jahr – davon rund zwei Millionen für „Arte Kultur“. Und natürlich für Zugriffsrechte auf das Material der Agenturen und von ARD und ZDF. Ein Drittel, schätzt Unger, sei aber Arte-eigenes, spezifisches Material.

Gänzlich hausgemacht ist das ebenfalls umgebaute „Arte Reportage“-Konzept. Aus dem täglichen Auftritt vor den Nachrichten ist ein Magazin geworden. Ging es bisher vor allem um Europa, setzt man nun klar auf internationale Themen – auch weil vor allem bei den französischen Sendern die Auslands-Berichterstattung auf dem Rückzug ist.

Überhaupt sind die Arte-isten eher amüsiert, dass nach gut zehn Sendejahren die Frage, wie man denn mit den zwei Nationen, Sprachen und Marotten im Arbeitsalltag zurechtkommt, überhaupt noch gestellt wird. Unger: „Frankreich und Deutschland passen so gut zusammen wie Männer und Frauen.

„Arte Reportage“, heute zum Thema „Irak: Alltag in Bagdad“, 21.35 Uhr