Der Raubfisch vom Rhein

„Wir können uns den Luxus von Tarifverträgen nicht mehr leisten“, sagt „Rhein-Zeitung“-Verleger Walterpeter Twer. Deshalb wird sein Blatt seit gut zwei Wochen bestreikt. Zeitungskrise in der Provinz

Für die Gewerkschaften steht fest, dass die Krise selbst verschuldet istAlle Mitarbeiter erklärten sich bereit, Gehaltseinbußen hinzunehmen

von PASCAL BEUCKER

War es schiere Verzweiflung? Ausgerechnet in der bisher nicht gerade als Kampfblatt der Arbeiterbewegung aufgefallenen Bild-Zeitung veröffentlichten die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di und der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) in der vergangenen Woche gemeinsam eine Anzeige. In ihr prangerten sie die radikalen Sparpläne bei der Koblenzer Rhein-Zeitung an.

Sie fordern einen „Sanierungstarifvertrag“ statt drastischen Personalabbaus. Doch bisher ließ sich Verleger Walterpeter Twer auch nicht durch einen dreizehntägigen Streik an den Verhandlungstisch bringen. Den Streik haben die Journalistengewerkschaften nun zu Wochenbeginn erst mal unterbrochen, um ein neues Gesprächsangebot zu unterbreiten, Ausgang ungewiss.

Es geht vor allem um den Abbau von bis zu 200 Arbeitsplätzen, mit dem Twers Mittelrhein-Verlag weiter die Kosten der Rhein-Zeitung drücken will. Von den Gewerkschaften und Betriebsräten will sich der gelernte Druckingenieur dabei nicht reinreden lassen. Daran hat auch Streik, der mit rund 90-prozentiger Mehrheit beschlossen wurde, bisher nichts ändern können.

Was allerdings auch damit zu tun haben dürfte, dass die Leser von dem Ausstand, an dem sich über 180 Beschäftigte aus Redaktion und Verlag beteiligen, nichts mitbekommen: In der Rhein-Zeitung findet die Auseinandersetzung des Verlegers mit seinen Untergebenen schlicht nicht statt.

Für die Gewerkschaften bleibt da nur das Prinzip Hoffnung: Die Verlagsleitung sollte sich „nicht darauf verlassen, dass organisierter Streikbruch auf Dauer funktioniert“, poltert DJV-Hauptgeschäftsführer Hubert Engeroff.

Nun geht es bei der Rhein-Zeitung nicht um irgendein Käseblättchen: Das Blatt kommt mit rund zwanzig Bezirksausgaben immerhin auf eine verkaufte Auflage von über 235.000 Exemplaren täglich. In vielen nördlichen Gegenden von Rheinland-Pfalz ist die Zeitung das einzige lokale Angebot.

Doch trotz dieser Monopolstellung ist die Krise längst auch in der Provinz angekommen: Die Rhein-Zeitung soll tiefrote Zahlen schreiben – wie tief, darüber schweigt sich der Verlag aus. Anderswo ist von Liquiditätsproblemen in Höhe von rund 6 Millionen Euro die Rede. Verraten hat der Verleger bisher nur, wie er die Krise überwinden will: mit einer Senkung der Personalkosten um bis zu 40 Prozent.

Dabei betätigt er sich schon seit Jahren als „Sparmeister“: 1999 begann er Regionalausgaben in eigene Gesellschaften umzuwandeln, Lokalredaktionen arbeiten formal als selbstständige Agenturen und liefern das fertige Produkt „Lokalteil“ kostengünstig an die Zentrale. Auch das Anzeigengeschäft und der Vertrieb der Zeitung sind in eigene Verlagstöchter ausgelagert. In mehreren „Sparpaketen“ soll jetzt die zurzeit noch 900-köpfige Belegschaft schrittweise weiter reduziert werden. Aktuell stehen 81 betriebsbedingte Kündigungen, davon über 50 Redakteursstellen, auf der Agenda.

Außerdem verkündet Twer, der bereits vor einigen Jahren aus dem Arbeitgeberverband ausgetreten ist: „Wir können uns den Luxus der Tarifverträge nicht mehr leisten“. – „Sozialdumping auf dem Rücken der Beschäftigten“ nennt das der DJV: Neben den Arbeitsplätzen sei auf Dauer auch die Qualität der Zeitung in Gefahr.

Twers Planspielen hatte der Betriebsrat bereits im Januar einen eigene Alternativen entgegengestellt: Altersteilzeit und Vorruhestand, Einsparungen im Sachkostenbereich sowie Abbau von Hierarchien und Leitungsebenen sind die Kernelemente seines Sanierungskonzepts. Und nicht nur das: Alle Mitarbeiter der Rhein-Zeitung erklärten sich bereit, für die Sicherheit ihrer Arbeitsplätze Gehaltseinbußen hinzunehmen. Doch der Verleger bleibt – für die Mitarbeiter absolut unverständlich – stur: Sie hätten ihm „Verzichtsangebote auf dem Tablett nachgetragen“.

Für rheinland-pfälzische Verhältnisse ist Walterpeter Twer, der 1980 in den von seinem Vater 1948 mitgegründeten Mittelrhein-Verlag als Gesellschafter und Mitverleger eintrat, so etwas wie ein kleiner Medientycoon. Sein Imperium reicht weit über die Rhein-Zeitung hinaus. Druckereien gehören ebenso dazu wie der Angelreisen-Spezialanbieter Kingfisher Reisen und rund dreißig Anzeigenblättchen. Diese Gelddruckmaschinen mit einer wöchentlichen Auflage von zusammen knapp einer Million Exemplaren dienten Twer jetzt wohl auch als Vorbild für die Rhein-Zeitung, mutmaßt Jürgen Dehnert, Sprecher des rheinland-pfälzischen Ver.di-Landesbezirks.

Darüber hinaus ist Twer auch noch Verleger des Paul Parey Zeitschriftenverlags, dessen diverse Special-Interest-Titel zusammen auf eine Auflage von mehreren hunderttausend Exemplaren kommen. Zu seinem Portfolio gehören dabei solche Perlen des Journalismus wie Wild und Hund, die Deutsche Jagd-Zeitung, Fisch & Fang – und natürlich Der Raubfisch. Auch der „Große Visier-Waffenkalender“ fehlt nicht im Sortiment. Passend zu seiner Reiter-Revue leistet sich Twer zudem noch in Bremberg im Taunus das Vergnügen eines eigenen Pferderennstalls, der sich im vergangenen Jahr als erster rheinland-pfälzischer für das Finale des „Westdeutschen Championats der Berufsreiter“ qualifizierte.

Doch solche Triumphe sind längst nicht die Regel: Twer tummle „sich halt in vielen Bereichen – und nicht immer sehr erfolgreich“, formuliert Ver.di-Sprecher Dehnert diplomatisch. Um das sich zunächst offenbar gut anlassende Engagement in Tschechien, wo die Verlagstochter MRV Bohemia laut Eigenwerbung zu den führenden Zeitungsgruppen gehört, ist es in letzter Zeit recht still geworden: Dass sich der Zeitungsmarkt nicht wie erwartet entwickelt habe, gestand Twer immerhin ein. Mitarbeiter sprechen von Millionenverlusten, die nicht unmaßgeblich zu der jetzigen prekären finanziellen Situation des Mutterhauses beigetragen hätten.

Für die Journalistengewerkschaften steht jedenfalls fest, dass die gegenwärtige Krise vor allem selbst verschuldet ist: „Das Unternehmen hat nach haarsträubenden Fehlentscheidungen die jetzige Situation zu verantworten“, sagt der stellvertretende Ver.di-Landesbezirksleiter Achim Schulze. Doch wie schlecht es wirklich aussieht, weiß auch er nicht. Der Protest geht jedenfalls weiter – auch wenn es vor Ort keiner mitbekommt. Außer man liest die Bild-Zeitung.