Abschiebe-Drama: Flüchtlingsfamilie hofft auf DNA-Test

Im Prozess um die Rückkehr der Kurdin Gazale Salame zu ihrem Mann und ihren Kindern bahnt sich eine Wende an. Genetischer Herkunftsnachweis könnte Familienzusammenführung erzwingen.

Herkunftsnachweis für Flüchtlinge: Eine DNA-Probe macht ihn möglich. Bild: dpa

GÖTTINGEN taz | Für die in die Türkei abgeschobenen Kurdin Gazale Salame und ihre Familie gibt es wieder Hoffnung auf eine gemeinsame Zukunft in Deutschland. Der Landkreis Hildesheim hatte Salames Ehemann Ahmed Siala die Aufenthaltserlaubnis entzogen, worauf die Behörden seine schwangere Frau und die einjährige Tochter des Paares außer Landes brachten. Dieser Abschiebung vor sechseinhalb Jahren liegt nach Angaben von Unterstützern der Familie ein "folgenschwerer Justizirrtum" zugrunde. Ein DNA-Abgleich beweise, dass Siala zu Unrecht die Abstammung von einem türkischen Vater unterstellt worden sei, sagte gestern der Hildesheimer Superintendent Helmut Aßmann.

Der Landkreis hatte Siala 2001 die Aufenthaltserlaubnis mit der Begründung entzogen, er stamme von türkischen Vorfahren ab und habe daher zu Unrecht im Jahr 1990 ein Bleiberecht als libanesischer Bürgerkriegsflüchtling erhalten. Ein Eintrag im türkischen Melderegister aus dem Jahr 1975 belegte nach Auffassung der Behörde, dass Sialas Vater die türkische Staatsangehörigkeit besessen habe. Weil er den Landkreis über seine türkische Herkunft getäuscht habe, wurde Sialas Aufenthaltserlaubnis widerrufen.

Ein neues Bleiberecht wird ihm seither verweigert. Siala und zwei weitere, zwölf und 14 Jahre alte Töchter des Paares werden im Kreis Hildesheim lediglich geduldet. Damit Gazale Salame mit den beiden jüngeren Kindern im Rahmen des Familiennachzugs nach Deutschland zurückkehren könnte, müsste Siala wieder einen Aufenthaltstitel bekommen. Die Familien von Salame und Siala gehören den Mahalmi an, die mit den Kurden eng verwandt sind.

Als Kinder geflohen: Im Alter von sechs und sieben Jahren kamen Ahmed Siala und Gazale Salame mit ihren Familien aus dem Libanon nach Deutschland. Die Behörden warfen ihnen vor, dass ihre Eltern bei der Einreise eine angeblich bestehende türkische Staatsangehörigkeit verschwiegen hätten. Den Familien sei deshalb zu Unrecht ein Bleiberecht erteilt worden.

Familie zerrissen: Gazale Salame wurde im Februar 2005 schwanger und mit ihrer einjährigen Tochter in die Türkei abgeschoben, während ihr Ehemann Ahmed Siala die beiden älteren Kinder hier zu Schule brachte. Seitdem leben Salame und zwei Kinder in einer Vorortsiedlung von Izmir. Die Mutter ist krank und leidet unter schweren Depressionen, wie Ärzte mehrfach festgestellt haben.

Protest: Gegen die Abschiebung und das Auseinanderreißen der Familie haben immer wieder zahlreiche Organisationen protestiert. Auch die Kirchen in Niedersachsen setzen sich für die Rückkehr Salames ein.

Mahalmi: Siala und Salame gehören zu den Mahalmi, einer den Kurden verwandten Volksgruppe, die von der Türkei in den Libanon auswanderte. RP

"Von einer Täuschung der Behörden durch Siala wird man nun nicht mehr sprechen können", sagte Aßmann. In dem fraglichen Registerauszug werde ein in Hameln lebender Flüchtling namens Ismail Önder als Bruder von Sialas Vater bezeichnet. Im Frühjahr 2011 sei die DNA der beiden Männer verglichen worden - mit dem Ergebnis, dass sie keine Geschwister sein könnten, behauptet Aßmann. Damit sei bewiesen, dass der Auszug aus dem türkischen Melderegister von 1975 offenkundig verwandtschaftliche Zusammenhänge falsch wiedergebe.

Die Unterstützer verlangen nun, dass Ahmet Siala sofort eine Aufenthaltserlaubnis erteilt und Gazale Salame zu ihrer Familie nach Deutschland zurück geholt werde, sagte Aßmann. Der Landkreis Hildesheim habe es in der Hand, endlich eine Lösung des Falles einzuleiten und umzusetzen. "Die Tragödie muss endlich auf politischem Weg beendet werden", verlangte Aßmann.

Bereits vor mehr als eineinhalb Jahren hatte das ebenfalls mit dem Fall befasste Bundesverwaltungsgericht an die Behörden appelliert, in diesem Fall eine politische Lösung zu suchen. "Der Fall schreit geradezu nach einer Lösung im Wege des Vergleichs", erklärte die Gerichtspräsidentin Marion Eckertz-Höfer damals unter Verweis auf Vorgaben der Europäischen Menschenrechtskonvention und die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte.

"Im Vertrauen auf eine solche politische Lösung haben wir alle Rechtsmittel zurückgenommen", sagte Kai Weber vom Niedersächsischen Flüchtlingsrat. "Geschehen ist bislang zu unserem großen Bedauern nichts." Die lange Wartezeit habe Gazale Salame psychisch zermürbt. Sie sei ernsthaft erkrankt. Der in der Türkei geborene, mittlerweile sechsjährige Sohn Gazi habe seinen Vater noch nie gesehen. Die durch Abschiebung erzwungene Trennung wirke sich zerstörerisch auf die Familie aus.

Die Hildesheimer SPD-Landtagsabgeordnete erwartet vom Landkreis als zuständiger Behörde, dass die derzeitige Duldung des Vaters zurückgenommen und ihm und seinen beiden hier lebenden Töchtern eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werde: "Das ist das mindeste, was wir alle dieser Familie nach sechseinhalb Jahren zurückgeben müssen", findet die Abgeordnete. "Besonders jetzt, wo sich nachweisen lässt, dass die Familie Salame/ Siala Opfer von falschen Dokumenten wurde."

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