Gewerkschafter wollen neue SPD gründen

Aus Frust über die SPD rufen führende Gewerkschafter ein eigenes Bündnis ins Leben – vielleicht sogar eine Partei

BERLIN taz ■ Einige Gewerkschafter, Attac-Aktive und andere sozial Bewegte sind Tag für Tag verstimmter über die Politik der SPD. Nun entlädt sich ihr Missmut in ein Projekt: Am Freitag trafen sie sich, noch konspirativ, und entwarfen einen Plan. Gemeinsam wollen sie Alternativen zur herrschenden Wirtschaftspolitik formulieren – und womöglich mit einer eigenen Partei bei der nächsten Bundestagswahl kandidieren.

„Wir möchten den Frust der sozialdemokratischen und grünen Wähler abfangen“, sagt Axel Troost, Geschäftsführer der Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik und Mitorganisator des Treffens. Die Gründung einer eigenen Partei wäre jedoch eine Notlösung, „weil wir nur so bei der Bundestagswahl 2006 antreten könnten“. Schwerpunkt solle es sein, eine humane, gerechte, arbeitnehmerfreundliche Wirtschafts- und Sozialpolitik zu erarbeiten.

Etwa 30 Unzufriedene tagten am Freitag, ein kleinerer Kreis erarbeitet nun ein Konzept. In ein paar Wochen will man erneut beraten und bis dahin eine Internetseite bestücken: Unter www.wahlalternative.de sollen in den nächsten Tagen Interessierte und Politikverärgerte nachlesen können, wie das neue Bündnis seine Ziele definiert. Für Anfang April ist ein „Aktionstag“ geplant, ein „Perspektivkongress“ Anfang Mai soll die politischen Konzepte vorstellen.

Die Spitzen der Gewerkschaften reagieren auf die Kampagne bislang verhalten – zumindest in offiziellen Stellungnahmen. Sie fürchten, die SPD zu verärgern, und halten eine neue Partei für wenig chancenreich.

Michael Schlecht etwa, Chef der wirtschaftspolitischen Abteilung von Ver.di, bestritt gegenüber der Süddeutschen Zeitung, dass er die Initiative unterstütze, wie als Gerücht kursiert. Jedoch läge eine Parteigründung „eigentlich in der Luft“. Der Wechsel an der Spitze der SPD habe nicht zu einem politischen Wandel geführt.

Auch Hans-Jürgen Urban von der IG Metall betonte, die Gewerkschaften hätten keinen Ansprechpartner mehr im öffentlichen Raum. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass selbst Abteilungsleiter der IG Metall und von Ver.di zu den Befürwortern des neuen Bündnisses zählen sollen – auch wenn sie sich bislang nicht namentlich dazu bekennen.

Laut Axel Troost versteht sich der noch entstehende Zusammenschluss als „Sammelbewegung“. Falls sich eine Partei konstituiert, soll es möglich sein, in ihr und gleichzeitig in einer anderen Partei Mitglied zu sein.

Dass eine neue Partei erfolgreich sein kann, wenn sie die Stimmung vieler frustrierter Menschen trifft, zeigt das Beispiel Hamburg: Dort gewann 2001 der Außenseiter und Populist Ronald Schill fast zwanzig Prozent der Stimmen – nicht zuletzt die einiger verärgerter SPD-Anhänger. COSIMA SCHMITT