SCHARIA IN NIGERIA

Die Scharia ist der Straf- und Verhaltenskodex für Muslime und gestaltet in Westafrika das gesellschaftliche Leben seit Ankunft des Islams vor rund 1.000 Jahren mit. Mit Beginn der britischen Kolonialherrschaft im heutigen Nigeria wurde die Scharia-Rechtsprechung auf den zivilen Bereich beschränkt: Landkonflikte, Familienprobleme, Betrügereien, Schulden etc. Strafrechtliches blieb höheren Gerichten auf Grundlage des angelsächsischen Rechts vorbehalten. Daran veränderte sich auch nach Nigerias Unabhängigkeit 1960 nichts.

Seit dem Ende der Militärherrschaft 1999 haben jedoch die Bundesstaaten des muslimischen Nordens die Scharia auf alle Bereiche des Rechts ausgedehnt und neue Scharia-Gerichte gegründet – im potenziellen Widerspruch zur Bundesverfassung. 13 der 36 Bundesstaaten wenden heute die Scharia auf Muslime an – in Einzelfällen mit spektakulären Strafen, wie Handamputation oder Steinigung.

Die Scharia-Judikative hatdrei Ebenen: das einfache Scharia-Gericht, hier werden vor allem alltägliche Probleme verhandelt; das höhere Scharia-Gericht, an dem auch Straftaten wie Mord verhandelt werden; an höchster Stelle steht das Scharia-Berufungsgericht. Jeder Bundesstaat hat einen Groß-Khadi als Vorsitzenden aller Scharia-Gerichte. Er untersteht dem obersten Richter des Bundesstaates. In letzter Instanz bleibt die föderale Justiz Nigerias, also das angelsächsische Recht, maßgebend. D.J.