Wissenschaftsbetrug in der Physik: Doktortitel entzogen

Ein akademischer Grad kann auch nachträglich wegen "Unwürdigkeit" entzogen werden. So urteilte Baden-Württembergs Verwaltungsgerichtshof.

Der Physiker Jan Hendrik Schön mit einer Kollegin in den legendären Bell Labs in Murray Hill, New JerseyBell (Werksfoto von 2001). Bild: dpa

Berlin taz | Der 41-jährige Physiker Jan Hendrik Schön hat zu Recht von der Universität Konstanz die Doktorwürde entzogen bekommen – wegen Wissenschaftsbetrugs. Das entschied am Dienstag der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (VGH, Az. 9 S 2667/10). Das besondere an dem Urteil: Der Physiker Schön hat nicht für seine 1997 vorgelegte Doktorarbeit betrogen und gefälschte Daten veröffentlicht, sondern erst einige Jahre später als international hoch angesehener Physiker an den Bell Laboratories in den USA.

Für Jan Hendrik Schön konnte der Karrieresturz vor rund neun Jahren kaum steiler sein. Galt er doch einst als ganz großer Star der Physikerszene. Das Stuttgarter Max-Planck-Institut für Festkörperforschung wollte ihn gar schon als bis dahin jüngsten Direktor berufen. Einige sahen in ihm auch einen künftigen Nobelpreisträger. Doch dazu kam es dann nicht mehr.

Im Jahr 2002 bestätigte eine Untersuchungskommission der renommierten Bell Laboratories, dass Schön zahlreiche Publikationen mit gefälschten und erfundenen Daten veröffentlicht hat. Viele der Arbeiten wurden nachträglich zurückgezogen, zum Teil auch gegen den Willen des Physikers. Schöns Physikerkarriere war am Ende. Im Jahr 2004 entzog ihm dann die Uni Konstanz den Doktortitel wegen "Unwürdigkeit".

Schön zog dagegen vor den Kadi. Das Verwaltungsgericht Freiburg hob die Konstanzer Entscheidung wieder auf, ließ aber wegen der "grundsätzlichen Bedeutung" eine Berufung vor dem VGH zu.

Seine jetzt getroffene Entscheidung begründet der VGH mit Schöns "schwerwiegendem wissenschaftlichen Fehlverhalten". Das Gericht legte damit den Begriff der Unwürdigkeit im Landeshochschulgesetz das erste Mal wissenschaftsbezogen aus, begrüßt der Frankfurter Juraprofessor und Richter Paul Tiedemann in dem online-Rechtsmagazin Legal Tribune das VGH-Urteil.

Der Begriff "Unwürdigkeit" im Landeshochschulgesetz ist nicht unumstritten, denn die Formulierung geht auf die Nazizeit zurück. Die Nazis entzogen damit Juden und auch anderen "unerwünschten" Akademikern die Doktorwürde. In der jüngeren Vergangenheit wurde zum Beispiel Schwerverbrechern mit diesem Passus der Doktortitel entzogen. Was aber "unwürdig" ist, lag im Belieben des Gerichts.

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