Ein US-Soldat und Asylbewerber

André Shepherd, 31 Jahre alt, ist desertiert und hat als wohl erster US-Soldat in Deutschland Asyl beantragt. Nicht Gewalt generell, aber den Krieg im Irak hält er für illegal FOTO: REUTERS

André Shepherd sagt mit seiner Bassstimme am Telefon: „Ich bin total ruhig. Die Entscheidung war richtig.“ Er wollte nicht mehr an einem „illegalen Krieg“ teilnehmen und ist aus der US-Armee desertiert. Jetzt hat der 31-Jährige getan, was vor ihm wohl kein Soldat der Vereinigten Staaten versucht hat: Er beantragt in Deutschland Asyl.

Die Welt sehen, Geld verdienen. So stellte sich Shepherd sein Leben als Soldat vor, als er im Januar 2004 zum Militär ging. Bis dahin hatte er sich in seiner Heimatstadt Cleveland im Bundesstaat Ohio mit kleinen Jobs durchgeschlagen. „Ich war Bote, habe in Restaurants gearbeitet, alles eben“, erzählt Shepherd. So konnte er sein Informatikstudium finanzieren. Kurz vor dem Abschluss ging ihm doch das Geld aus. „Neun Punkte haben mir noch gefehlt“, sagt er.

Nach seiner Grundausbildung kam er nach Deutschland und kümmerte sich in der US-Militärbasis im bayerischen Katterbach als Mechaniker um die Apache-Hubschrauber. Im September 2004 wurde er für sechs Monate in den Irak versetzt. Dort bekam er plötzlich aus nächster Nähe mit, wie seine Kameraden viele Zivilisten von den Hubschraubern aus töten. Er begann, sich für seine Arbeit zu schämen. „Es war ein widerliches Gefühl, mir eingestehen zu müssen, dass ich im Grunde Tag für Tag am Abschlachten von stolzen Menschen beteiligt war“, sagt Shepherd. Doch einfach kündigen ging nicht.

Im Juni 2007 – er tut zu diesem Zeitpunkt wieder Dienst im bayerischen Katterbach – soll er wieder in den Irak fliegen. Da entschließt sich Shepherd zu desertieren. Der Krieg im Irak ist in seinen Augen sowohl nach internationalem als auch nach US-Recht illegal. „Wir haben Nationen zerstört, führende Persönlichkeiten getötet, Häuser geplündert, gefoltert, entführt, gelogen“, sagt er. Mit gutem Gewissen könne er nicht weiter in der US-Armee dienen.

Shepherds Problem: Er lehnt Kriege nicht generell ab: „Angemessene Gewalt“ könne manchmal notwendig sein, sagt er. Doch damit hat er keine Chance auf eine Verweigerung aus Gewissensgründen. Als Deserteur droht ihm in den USA Haft, theoretisch könnte ihn ein Militärgericht zum Tode verurteilen. Deshalb hofft Shepherd, dass die Behörden seinen Asylantrag anerkennen.

Deutschland sei für ihn inzwischen ein zweites Zuhause geworden, sagt er, nur die Sprache würde er gern noch besser lernen. Von Gießen aus bleibt er mit seiner Familie in Cleveland in Kontakt. Er klingt gut gelaunt: „Die Sorgen sind jetzt weg.“ Er habe alles getan, was er konnte, und warte jetzt die Entscheidung ab. „Ich habe Frieden mit mir gemacht“, sagt der Deserteur. FRIDA THURM