Medwedjews neue Verbündete in Lateinamerika

Beim Besuch des russischen Präsidenten feiern Brasilien und Venezuela „strategische Partnerschaft“ mit Russland

PORTO ALEGRE taz ■ Es war der Höhepunkt von Dimitri Medwedjews Lateinamerikareise: Am Mittwoch unterzeichnete der russische Präsident gleich zwölf Kooperationsabkommen, fünf mit Brasilien und sieben mit Venezuela. In höchsten Tönen schwärmten Luiz Inácio Lula da Silva und Hugo Chávez von der „strategischen Partnerschaft“ ihrer Länder mit Russland. Für die passenden Bilder sorgte Medwedjew ebenfalls: In Rios Maracanã-Stadion trat er gegen einen Ball, am Donnerstag bestieg er mit Chávez eines der Kriegsschiffe, die ab Samstag am ersten russisch-venezolanische Flottenmanöver in der Karibik teilnehmen.

„In weniger als zehn Jahren haben wir mehr erreicht als in den 200 Jahren davor“, jubelte Chávez, „es ist die Stunde des endgültigen Zusammentreffens zwischen dem russischen und dem lateinamerikanischen Vaterland.“ Ziel sei es, „das Gleichgewicht der Welt zu erreichen und den Hegemonieansprüchen der USA zu entkommen, die die Welt von einer Katastrophe in die nächste gestürzt haben“.

Weniger überschwänglich, aber genauso bestimmt gab sich Medwedjew. „Die Annäherungen sind nicht gegen ein drittes Land gerichtet“, sagte er, „sondern Ausdruck des pragmatischen Verständnisses von Weltpolitik, das beide Regierungen haben.“ Deswegen sei er auch gerne bereit, über eine Teilnahme Russlands an dem linken Handelsbündnis Alba („Bolivarianische Alternative für die Amerikas“) als „assoziiertes Mitglied“ nachzudenken. Kurz vor dem Eintreffen des Kremlchefs war in Caracas der dritte Alba-Gipfel zu Ende gegangen, an dem unter anderem die Präsidenten Evo Morales aus Bolivien, Daniel Ortega aus Nicaragua und als Beobachter der Ecuadorianer Rafael Correa über Antworten auf die Finanzkrise beraten hatten.

Das russisch-venezolanische Atomabkommen zielt auf den Bau eines Kernkraftwerks im Bundesstaat Zulia. Damit hat Chávez seinen Hauptpartner für die Atomkooperation gefunden – zuletzt hatte er gegenüber Brasilien, Argentinien und Frankreich ähnliche Vorstöße unternommen. Außerdem unterschrieben Medwedjew und Chávez Verträge über die Ausbeutung von Ölvorkommen, den Bau und die Reparatur von Schiffen und Plattformen, zur Erleichterung von Investitionen und zur Abschaffung der Visapflicht. Zudem werde die Gründung einer binationalen Entwicklungsbank geprüft.

Ein Militärabkommen war nicht darunter, doch Medwedjew stellte klar, dass die „umfassenden militärischen Beziehungen“ weiterentwickelt würden: „Das ist nichts Konjunkturelles, sondern gründet auf der Idee einer multipolaren Welt“, sagte er. Zwischen 2005 und 2007 hatte Chávez in Moskau 50 Helikopter, 24 Suchoi-Flugzeuge und 100.000 Kalaschnikow-Sturmgewehre im Wert von umgerechnet 3,4 Milliarden Euro geordert.

Russische Waffen sind aber auch in Kolumbien oder Brasilien beliebt. So gab Brasilien vorgestern den Kauf von zwölf Kampfhubschraubern des Typs Mi-35M bekannt. Erwünscht ist auch die Beteiligung russischer Firmen beim Bau von brasilianischen Wasserkraftwerken, Gas- und Ölleitungen, Eisenbahnen, aber auch im Atombereich. Dafür erwartet Brasília eine Ausweitung seiner Rindfleischexporte nach Russland. Das bilaterale Handelsvolumen, das in diesem Jahr bereits über 6 Milliarden Dollar beträgt, soll bis 2010 auf 10 Milliarden Dollar (rund 7,7 Milliarden Euro) steigen.

Brasiliens Präsident Lula forderte in Rio wie schon kürzlich beim G-20-Gipfel in Washington „transparente und wirkungsvolle Regeln“ für die Weltwirtschaft. „Zusammen mit anderen Ländern, vor allem China und Indien, sind Brasilien und Russland in der Lage, aus der Krise nicht Tränen zu ziehen, sondern Chancen“, erklärte er. „Wir haben große Erwartungen an das erste Gipfeltreffen dieser Gruppe, das 2009 in Russland stattfindet.“

GERHARD DILGER