Training in der Chef-Etage

Was ist eigentlich Coaching? Coaching ist, wenn Mannager sich etwas sagen lassen. Das kann manchmal das Schlimmste verhindern. Aber nicht immer. Denn der Coach nimmt keinen Einfluss auf Inhalte

Von Sandra Wilsdorf

Hätte der mittlerweile geschasste FDP-Bildungssenator Rudolf Lange in der Regierung Ole von Beust einen Coach gehabt, dann hätte Hamburg mittlerweile vielleicht ein funktionierendes Kita-System. Nicht, dass Coaching die Menschen besser machte, aber so ein Coach kann ein ganz schön unbequemer Begleiter sein. Er konfrontiert einen beispielsweise mit Widersprüchen zwischen dem eigenen Handeln und dem Leitbild des Unternehmens, in dessen Namen man angeblich Entscheidungen trifft. Und er sorgt für Partizipation.

Das hört sich großartig an. Doch Coaching klingt im Zeitalter von Supervision, Mediation und Moderation, von Organisationsentwicklung, Open Space, Zukunfts- und Strategiekonferenzen in vielen Ohren nach wie vor dubios. Zu leicht verirrt sich der Ratsuchende im weitläufigen Labyrinth der Angebote. Zu selten sind die Versuche, verschiedene Methoden zu erklären informativ genug, um die Auswahl zu erleichtern. Leicht könnte man auf die Idee kommen, es handle sich einfach nur um einen neuen Neuen Markt. Tatsächlich ist es schwer zu durchschauen, welcher der vielen Anbieter sein Handwerk versteht, und wer nur Rechnungen zu schreiben weiß. Während im Falle der Supervision über die Deutsche Gesellschaft für Supervision (DGSv) inzwischen klare Ausbildungsinhalte und damit gewisse Qualitätsstandards vorgegeben sind, ist „Coach“ bislang noch ein ungeschützter Begriff – ganz so wie „Journalist“.

Einsam an der Spitze

Was also ist Coaching? Der Begriff ist erst Mitte der 80er Jahre nach Deutschland gekommen. Ähnlich wie die Supervision ist auch Coaching eine befristete Methode, die ein vorher klar definiertes Ziel verfolgt. Der Hauptunterschied liegt in der anvisierten Zielgruppe: Während Supervision zunächst überwiegend im Non Profit-Bereich zum Einsatz kam und als traditionelle Zielgruppe die Beziehungsberater hatte, ist Coaching in der Regel ein Instrument für Personen mit Managementaufgaben. Dass diese auch hin und wieder auf jemand anderen als sich selber hören, ist allerdings noch nicht lange selbstverständlich. Doch sehr zur Freude der Anbieter ist es in den vergangenen Jahren zu einem Imagewandel gekommen: Der Coach wird für wichtige Menschen immer häufiger zum selbstverständlichen Begleiter – der von Bill Clinton steht sogar in der Zeitung.

„Mit ständig wachsender Arbeitsverdichtung und zunehmendem Druck nehmen auch die Vereinsamungstendenzen an der Spitze zu“, sagt Gisela Beck von der „Scherer, Beck und Partner Unternehmensberatung“. Der Manager müsse funktionieren, er müsse stark sein, gleichzeitig aber die Fähigkeit besitzen, sich strategisch zu positionieren. Da darf er schon mal zugeben, mit der Arbeitsorganisation überfordert zu sein. „Coaching entwickelt sich immer mehr zum Aushängeschild eines Unternehmens, ähnlich wie Zertifizierung“, sagt Albert Scherer, ihr Partner. Der Diplompädagoge stellt auch in der gesellschaftlichen Wahrnehmung einen Wandel fest: „Aktuell stehen Beraterverträge wie die der Bundesagentur für Arbeit zwar in der Kritik, dabei geht es ja aber nur um die Höhe und um die Tatsache, dass sie nicht ausgeschrieben worden waren, nicht um die Tatsache der Beratung an sich. Das wäre vor 20 Jahren noch ganz anders gewesen.“

In der Politik gibt es überhaupt reichlich Möglichkeiten zu coachen. Immer wieder wird schlechte Politik auf mangelhafter Kommunikation zurück geführt. Nicht die Inhalte – so scheint es – sind das Problem, sondern deren Transport.

Geballter Sachverstand

Dieses Erklärungsmusters bedienen sich Bundeskanzler wie Gesundheitsministerin, Senatoren wie Bürgermeister. Scherer und Beck stimmen zu. Allerdings anders, als es die Politiker meinen: „Kommunikation beginnt ja schon viel früher“, sagt Gisela Beck. Die Kunst sei nicht, eine oben getroffene Entscheidung nach unten zu kommunizieren, sondern alle in die Entscheidungsfindung einzubeziehen. Und was hätte sie dem Hamburger Ex-Bildungssenator Rudolf Lange in Sachen Kita als dessen Coach geraten? Beck ist um eine Antwort nicht verlegen: Dann hätten Fachleute aus allen betroffenen Bereichen etwa zwei Tage lang in einer Großgruppenkonferenz Ideen für einen „Weg zum Kita-System“ erarbeitet. Mit dabei: Vertreter der Fachabteilungen aus der Behörde, Eltern, Erzieher, Kita-Leitungen. Die Behördenspitze hätte dann den Rahmen vorgeben können, beispielsweise eine finanzielle Obergrenze. Der Vorteil solcher Konferenzen, bei denen viele Menschen gemeinsam an einem Thema arbeiten liegt auf der Hand: Der Sachverstand aller Beteiligten wird genutzt, die Bedenken aller werden von Anfang an einbezogen.

Beck und Scherer sind sich sicher: Die angebliche Visionslosigkeit der Deutschen hat viel mit den Strukturen zu tun, wie Entscheidungen zustande kommen. „Es geht darum, Schätze zu heben“, sagt Scherer. Coaching hat also mit Partizipation zu tun. Auch wenn das nicht immer so aussieht. Denn auch der Chef, der 2.000 Leute entlassen will, kann sich einen Coach nehmen, der ihm in seiner Einsamkeit beisteht. Ein Coach nimmt keinen Einfluss auf die Inhalte. Aber wenn der Chef in einer schwachen Stunde gesteht, dass er sich mit der Situation selbst nicht wohl fühlt, finden beide gemeinsam vielleicht einen Ausweg. Möglicherweise müsste der Coach auch nur dezent darauf hinweisen, dass die knallharte Entlassungspolitik nicht zu den feierlich verabschiedeten Unternehmensgrundsätzen passe. Das Ergebnis wäre in jedem Falle der Versuch, eine alternative und möglicherweise bessere Lösung zu finden.