Die Söldner des Pentagon

von FRANÇOIS MISSER

Der US-Sieg im Irak ist der Sieg einer Armee, die zentrale Aufgaben an private Militärfirmen delegiert hat und diesen auch eine wichtige Rolle in der Nachkriegszeit bieten will. Eine Schlüsselfigur dabei ist Jay Garner (64), General a. D. der US-Army. Der neue „Sheriff von Bagdad“ ist gestern in der irakischen Hauptstadt als Chef des Büros für Wiederaufbau und Humanitäre Hilfe (ORHA) eingetroffen.

Garner ist freigestellter Vorsitzender der Firma SY Coleman, die technische Hilfe zum Bau von Patriot-Raketen geleistet hat. Eigentümer von SY Coleman ist die mächtige Firmengruppe L-3 Communications. Dieser gehört seit drei Jahren auch die blühendste der zahlreichen US-Unternehmen im Bereich Söldnertum und private Militärhilfe (so genannte „Private Military Companies“): Military Professional Resources Inc., kurz: MPRI. Der Firmensitz von MPRI, gegründet 1987, liegt nur einen Kanonenschuss vom Pentagon entfernt.

Nach einem Bericht des Sunday Herald in Glasgow hat ein Vizepräsident von MPRI, General Jerry Bates, von Garner bereits den Auftrag für „logistische Hilfe“ für die US-Militärverwaltung des Irak erhalten. Schon im März prophezeite das US-Wirtschaftsblatt Fortune, dass die privaten Militärfirmen der USA im Irak wichtig würden – im Einklang mit der allgemeinen Tendenz zur Privatisierung von Sicherheitspolitik in den USA.

Nach dem gewonnenen Krieg stehen die US-Militärs nämlich vor Herausforderungen, die Speziawissen erfordern: Wie erhält man die öffentliche Ordnung aufrecht? Wie findet man neue Soldaten und Polizisten und bildet sie aus? Wie kriegt man einen Übergang zur Demokratie hin?

MPRI hat vielfältige Erfahrungen. 1994 rüstete die US-Firma die Armee Kroatiens auf, ähnliche Dienste erwies sie später der bosnischen Armee, der UÇK im Kosovo und der Armee Makedoniens. MPRI bildet im Pentagon-Auftrag in Kolumbien und in Nigeria die Armee aus und führt auch das US-Militärhilfsprogramm zum Aufbau einer afrikanischen Schnellen Eingreiftruppe durch, das so genannte „Africa Crisis Operations Training Assistance Program“ (Acota). In Bulgarien werden die sowjetisch geprägten Kampfmethoden der Armee modernisiert, in Taiwan Militärberater ausgebildet. Schon lange vor dem Krieg im Irak bildete MPRI auch in Kuwait US-Kampfeinheiten sowie die lokale Nationalgarde aus.

Dies alles ist Folge einer sich verändernden Politik der USA. Bis 2006 will das US-Verteidigungsministerium 237.000 Arbeitsplätze in logistischen Bereichen wie Truppentransport, Wartung, Restauration und Beherbergung privatisieren.

Anbieter militärischer Dienstleistungen drängen jetzt auf diesen Markt und kaufen notfalls etablierte Unternehmen auf, sagt der französische Söldnerexperte Philippe Chapleau. Der Aufkauf von MPRI durch L-3 Communications für 40 Millionen Dollar im Jahr 2000 ist dafür ein Beispiel: Eine der Gründerfirmen von l-3 ist Lockheed Martin, der führende US-Rüstungshersteller, in dessen Vorstand übrigens Lynne Cheney sitzt, Ehefrau des US-Vizepräsidenten.

Das Computertechnologieunternehmen „Computer Science Corp.“ kaufte kürzlich für eine Milliarde Dollar die Militärfirma Dyncorp, deren Personal – bestehend aus ehemaligen US-Soldaten – in Afghanistan Präsident Hamid Karsai schützt. Dyncorp hat bereits im Auftrag des US-Außenministeriums angefangen, Polizisten und Gefängniswärter für den Irak zu rekrutieren. Bewerber können sich per E-mail bei cops.recruting@dyncorp.com anmelden oder auf der Webseite www.policemission.com. Die Erfolgreichen werden Iraks Elite sein: Für 80.000 Dollar im Jahr plus Risikozuschlag sollen sie die zukünftige neue irakische Polizei auswählen, führen und ausbilden.

Dyncorp erlangte traurige Berühmtheit, als die Firma kolumbianische Kokafelder chemisch aus der Luft vernichten ließ. Dabei soll sie nicht nur beträchtliche Umweltschäden angerichtet haben: eine Bauernvereinigung aus Ecuador hat Dyncorp auch wegen Todes- und Krankheitsfällen nahe der Grenze verklagt. Und in einem Vertrag, der die Völkerrechtswidrigkeit streift, leistet Dyncorp den Rebellen des Südsudan für drei Millionen Dollar logistische Hilfe im US-Regierungsauftrag.

Im Irak dürfte die Firma, die nach einem Bericht des Londoner Observer der Republikanischen Partei der USA 150.000 Dollar gespendet hat, eine große Zukunft vor sich haben. In den USA wird spekuliert, dass der ehemalige CIA-Chef James Woolsey, der Dyncorp nahe steht, Informationsminister der von Garner einzusetzenden Zivilverwaltung des Irak werden könnte. Woolsey arbeitet unter anderem mit der Anwaltskanzlei Shea and Gardner zusammen, die Lobbyarbeit für den vom Pentagon favorisierten Exiliraker Ahmed Chalabi macht, Leiter des Irakischen Nationalkongresses.

Der fetteste Auftrag ist freilich an eine texanische Filiale der US-Öllogistikfirma Halliburton gegangen, die bis zu den letzten US-Wahlen vom heutigen US-Vizepräsidenten Dick Cheney geführt wurde. Die Filiale KBR (Kellogg, Brown and Root) hat für sieben Milliarden Dollar den Zuschlag zur Wiederherstellung der Ölförderanlagen des Irak bekommen – ohne öffentliche Ausschreibung. KBR ist zufällig seit 2002 für die nächsten zehn Jahre der Exklusivlieferant der US-Armee und US-Marine für Nahrung, Bau von Stützpunkten, Wartung von Anlagen, Lieferung von Energie und Benzin.

In den letzten 10 Jahren ist das Personal der US-Army im Rahmen des 1985 gestarteten Privatisierungsprogramms Logcap um ein Drittel geschrumpft; die verbliebenen Soldaten sollen sich allein militärischen Aufgaben widmen. Alles andere wird ausgelagert. Im Golfkrieg von 1991 entfielen auf einen Zivilisten 50 Soldaten – in der Bosnien-Friedenstruppe ab 1996 lag das Verhältnis nur noch bei eins zu zehn.

Ein Grund für die schleichende Privatisierung des Militärischen ist die zunehmende Komplexität des Rüstungsmaterials, die immer mehr Spezialisten erfordert. Ein anderer Grund ist politisch. Eine Regierung braucht sich weniger Sorge um politische Verantwortung zu machen, wenn die Ausführenden ihrer Militärpolitik Privatleute sind.

Privatisierung des Militärs bedeutet, Militärpolitik der politischen Kontrolle zu entziehen. Damit lässt sich natürlich auch viel Geld verdienen. Zwischen 1994 und 2001 schloss das US-Verteidigungsministerium mit zwölf US-Firmen in diesem Bereich 306 Verträge ab. Gesamtvolumen: 472 Milliarden Dollar. Selbst ohne den Irakkrieg wären es dieses Jahr dreißig Milliarden Dollar gewesen. Jetzt wird es natürlich viel mehr.