ZDF im freien Streitfall

Die Gerichtsshow „Streit um drei“ hat sich kürzlich ein neues Konzept gegeben, das stärker dem Gerichts-TV der Privaten ähnelt. Allerdings fehlt der Erfolgsgarant: Krawall (ZDF, täglich 15.10 Uhr)

von HEIKO DILK

Dass „Streit um drei“ anders gewesen sei als andere Gerichtsshows, konnte man natürlich nicht sagen. Wie auch? Als das ZDF 1999 Richter Guido Neumann ins Fernsehen holte, um Alltagskonflikte zu schlichten, waren die Privatsender noch damit beschäftigt, den Nachmittag mit daily talk shows zu bestücken. Es gab also noch keine Gerichtsshows, von denen sich „Streit um drei“ hätte unterscheiden können.

Mittlerweile ist das anders. Richterin Barbara Salesch treibt ihr Unwesen auf Sat.1, und im Anschluss tagt das Familiengericht, um beispielsweise zu fragen: „Ist Thimo sexsüchtig, oder verheimlicht er seiner Frau etwas ganz anderes?“ RTL spricht mittlerweile täglich von 14 bis 17 Uhr Recht – oder das, was der Kölner Sender dafür hält. Und so wurde „Streit um drei“ von der einzigen zur einzigen anderen Gerichtsshow, und zwar ohne sich selbst zu verändern.

Vor allem geht es bei „Streit um drei“ sehr ruhig zu. Da wird fast gar nicht krakeelt, weil Richter Neumann die Verhandlungen mit strenger Hand führt. Weil die Prozessbeteiligten bei ihm nicht mit den Händen in den Taschen dastehen dürfen. Auch thematisch hob sich „Streit um drei“ vom „Strafgericht“ oder vom „Jugendgericht“ ab. Es ging um Alltagskonflikte, um Schmerzensgeld und um Schadenersatz, um Zivilrecht also, und nicht um Vergewaltigung und Missbrauch, um Strafrecht. Und „Streit um drei“ hatte Wolfgang Büser und Ekkehard Brandhoff. Brandhoff war so etwas wie der Gerichtsreporter, und Büser war der Rechtsexperte, der immer einen realen Fall parat hatte. Büser und Brandhoff neckten sich gern, aber im Grunde mochten sie sich, das merkte man. Das war charmant.

Zum Februar nun hat die Redaktion „Streit um drei“ renoviert, wie man so gerne sagt. Büser und Brandhoff gibt es nicht mehr, der Gerichtssaal sieht anders aus, und „Streit um drei“ schreibt sich jetzt „Stre./.t um drei“, was sicher pfiffig ist, denn das ./. steht auch auf Gerichtsakten. Wie in „Kramer ./. Kramer“ zum Beispiel. Aber die wesentlichste Veränderung ist, dass es seit Februar auch im ZDF, außer freitags, wo Fälle aus dem Arbeitsrecht verhandelt werden, nur noch um Verbrechen und Strafe geht.

Dafür wurde das Team um einen Strafrichter und eine Jugendrichterin verstärkt. Und auch Guido Neumann hat im Februar nur Strafsachen verhandelt. Wenn man fragt, warum, sagt Redaktionsleiterin Eva Appel, dass „wir gesehen haben, dass Zivilrecht auserzählt“ war, nach über 1.800 Folgen. Aber auch, dass die Marktanteile von „Streit um drei“ seit Oktober letzten Jahres von durchschnittlich 14 auf 10 Prozent abgesackt waren. Da startete RTL die Gerichtsoffensive.

„Die Quoten zeigen, dass die Zuschauer am Nachmittag eher das Schrille, das Bunte wollen“, sagt Appel. Was eine gänzlich nutzlose Erkenntnis ist, weil sie sich nicht auf „Streit um drei“ auswirken wird. Denn: „Da können und wollen wir nicht mithalten.“ Das ist einerseits ehrenhaft und andererseits offenbar dem Bildungsauftrag des öffentlich-rechtlichen Fernsehens geschuldet.

Bisher hatte „Streit um drei“ den privaten Formaten genau zwei Dinge voraus. Erstens Service, weil es meist um Streit zwischen Nachbarn, Freunden oder Kleingärtnern ging – also um etwas, das jedem jederzeit widerfahren konnte. Zweitens hatte die Sendung nicht zuletzt wegen Büser und Brandhoff Humor.

Jetzt hat „Streit um drei“ nur noch, was auch die privaten Formate haben: Brandstifter, Körperverletzer und Vergewaltiger – nur von Letzteren etwas weniger. Und eines fehlt gänzlich. Das nämlich, was die Privaten so erfolgreich macht: Krawall.

Dass mit diesem Konzept verlorene Marktanteile zurückgewonnen werden könnten, scheint auch Appel gar nicht so recht zu glauben. „Egal, was wir machen, wenn man etwas Schrilleres draufsetzt, wird das immer gewinnen“, sagt sie. Das stimmt wohl, aber man könnte ja auch was anderes machen, eine Nische besetzen, indem man zum Beispiel Alltagskonflikte verhandelt oder die Gerichtsshow mit etwas mehr Humor anreichert. Wo die Privatsender ihre TV-Gerichte doch schon so ernst nehmen. Und Krawall können die sowieso besser.