Lyrik zum Mars

Der Esser ist auch ein Leser: Ein Gespräch mit dem Verleger Frank Maleu, der seine Heftreihe „Schöner Lesen“ seit kurzem in Automaten vertreibt

INTERVIEW MARC DEGENS

taz: Herr Maleu, Sie sind Geschäftsführer des SuKuLTuR-Verlags. Seit Dezember vertreiben Sie die Heftreihe „Schöner Lesen“ in elf Süßwarenautomaten in Berlin. Wie sind Sie auf die Idee gekommen, Literatur in Automaten zu verkaufen?

Frank Maleu: Seit die Lesehefte erscheinen, das ist seit 1996, suche ich nach ungewöhnlichen Vertriebswegen. Und die Idee mit dem Automatenverkauf ist gar nicht so originell. Der Dichter Bert Papenfuß erzählte mir beispielsweise, dass Roth-Händle in den Siebzigerjahren bereits Kurzkrimis in Zigarettenautomaten verkauft hat. Und von 1912 bis 1940 vertrieb auch Reclam Literatur auf diese Weise, zeitweise besaß der Verlag Zweitausend eigene Buchautomaten.

Die Idee ist lustig, aber bedrohen diese Aktionen nicht die Buchhandlungen, denen es so schon schlecht genug geht?

Nein, das denke ich nicht. Ich sehe den Automatenvertrieb eher als Ergänzung zum normalen Buchhandel. Die Hefte sind mit einem Durchschnittspreis von einem Euro ja auch viel zu billig, um große Gewinne abzuwerfen. Mein Wunsch ist es vielmehr, ganz neue Käuferschichten an die Bücher heranzuführen. Ist der Esser auch ein Leser? Inzwischen sage ich: ja.

Sind Sie mit den bisherigen Verkaufszahlen zufrieden?

Oh ja. Letzten Monat wurden insgesamt etwa 150 Hefte verkauft – damit bin ich hoch zufrieden. Und unser Partner, der Automatenaufsteller Quickland, ist es auch. Und das ist letztlich das Entscheidende. Am Ende kommt es dort nur auf die Verkaufszahlen an. Und tatsächlich können die Hefte mit der Konkurrenz von der Süßwarenfront mithalten. Es ist erstaunlich, aber wahr!

Was für Texte veröffentlichen Sie in der Reihe?

Vornehmlich junge, zeitgenössische Literatur. Erzählungen, experimentelle Texte, Lyrik, aber auch kurze Theaterstücke. Also alle Sparten. Von eher bekannteren Autoren wie Dietmar Dath oder Ilse Kilic aus Wien, bis hin zu Underground-Größen wie Bdolf, den Berliner Hel oder Paul Anton Bangen. Ungewöhnlich sind aber auch die Formate. Die Hefte sind in der Regel sechzehn bis vierundzwanzig Seiten lang, also ideal für die schnelle Lektüre. Und wem der Text gefällt und wer noch mehr lesen will, kann anschließend in die Buchhandlung gehen und die dickeren und teureren Bücher des Autors kaufen.

Ihre Hefte sehen aus wie Reclam-Bücher. Haben Sie deshalb schon Ärger mit dem Verlag bekommen?

Nein, wenngleich der Vergleich natürlich schmeichelhaft ist. Und sicherlich gibt es auch Ähnlichkeiten. Die Hefte waren anfangs äußerlich ja extrem von den Reclam-Büchern inspiriert worden. Inzwischen sind die Parallelen aber nur noch konzeptioneller Natur. Die Reihe ist billig und soll den Leser zum Ausprobieren verführen.

Die Automatentestphase ist bald vorüber. Wie geht es denn weiter?

Ich hoffe, dass das Projekt fortgesetzt und sogar ausgedehnt wird. Mehr Automaten, auch außerhalb von Berlin. Das hängt allerdings davon ab, ob die Verkaufszahlen weiterhin so gut bleiben wie bisher.

Eine letzte Frage noch: Was bedeutet eigentlich SuKuLTuR?

Sprache, Unterhaltung, Kultur. Das wäre eine Möglichkeit. Oder auch: spontan und kreativ. Vielleicht kennen Ihre Leser ja sogar noch eine viel bessere Abkürzung.

Eine Liste mit den elf Berliner Automatenstandorten findet sich im Internet unter: www.sukultur.de