Hund findet Leben auf Mars

Im Schlamm von Brisbane erschnüffelt eine Dingo-Mischlingshündin magnetotaktische Bakterien. Sie stammen von einem Meteoriten und sollen beweisen, dass das Leben vom Mars zur Erde kam

VON KENO VERSECK

Tamarind ist eine 13-jährige Dingo-Mischlingshündin und wohnt in Sydney, Australien. Tony Taylor spricht sehr zärtlich von ihr, er ist viel mehr als nur ihr Besitzer. „Sie ist für mich wie eine Tochter“, sagt Taylor. Seine Stimme wird ganz weich.

Tamarind hat den Beweis für außerirdisches Leben entdeckt, genauer gesagt, den Beweis für fossiles Leben auf dem Mars. Sie hat ihn erschnüffelt, um ganz genau zu sein – in einem verschlammten Teich auf einem Golfplatz bei Brisbane in Ostaustralien. Deshalb steht Tamarinds Name im gestern erschienenen Journal of Microscopy, einer hoch angesehenen Fachzeitschrift für biophysikalische und chemische Untersuchungen, und zwar in einem Aufsatz über die Struktur magnetotaktischer Bakterien, den Taylor verfasst hat.

Taylor ist 38, Biophysiker und arbeitet bei der Australischen Organisation für nukleare Wissenschaft und Technologie (Ansto). Er interessiert sich seit langem für magnetotaktische Bakterien. Sie leben in wässrig-schlammigen Milieus und produzieren magnetische Eisenoxidkristalle, die sie bei der Nahrungssuche und Orientierung als eine Art Kompass benutzen. Seit Jahren quälen sich Forscher damit ab, die genaue innere Struktur dieser Einzeller und ihrer Kristalle sichtbar zu machen. Taylor hat es mit einer neuartigen mikroskopischen Technik geschafft.

Magnetotaktische Bakterien sind auch so etwas wie der Heilige Gral aller Fans der These von außerirdischem Leben. US-amerikanische Astrobiologen fanden 1996 in dem Meteoriten ALH84001 Spuren magnetotaktischer Bakterien, zumindest behaupteten sie das. Der Meteorit stammt vom Mars, er wurde vermutlich vor 16 Millionen Jahren ins All geschleudert und schlug vor 13.000 Jahren auf der Erde auf. Forscher entdeckten ihn 1984 in der Antarktis.

Eine Armada von Wissenschaftlern hat dem legendären Stück Stein seither zugesetzt, ging es doch um den mutmaßlich ersten Fund von außerirdischem Leben. Die einen bestätigten den Fund, die anderen widersprachen. Taylor hat nun einen indirekten Beweis dafür erarbeitet, dass in dem Stein tatsächlich vom Mars stammende Bakterien am Werk waren. Er analysierte die Strukturen von 82 Arten magnetotaktischer Bakterien und ihrer Magnetitkristalle und stellte fest, dass sie denen im Meteoriten ALH84001 genau glichen.

„Das heißt, die Strukturen in ALH84001 sind tatsächlich biologischen Urspungs“, sagt Taylor. „Sie müssen von Marsbakterien stammen, denn sie sind vier Milliarden Jahre alt, stammen also aus einer Zeit, in der es auf der Erde noch gar kein Leben gab.“ Es sei sogar wahrscheinlich, sagt Taylor, dass das Leben zuerst auf dem Mars war und erst von dort auf die Erde kam.

Wer weiß, was aus Taylors Studie ohne die Hilfe seiner Hündin Tamarind geworden wäre. Sie ist es, die Taylor die Bakterienproben heranschafft, deshalb nennt er sie „meine Forschungsassistentin“. Sie versteht ungefähr hundert englische Wörter, und eines ihrer Lieblingswörter lautet „stinky“. Wenn sie das Wort hört, läuft sie auf dem schnellsten Weg dorthin, wo es übel riechenden Faulschlamm gibt, ebendorthin, wo sich auch besonders viele magnetotaktische Bakterien ansammeln. Sie schnüffelt im Schlamm, läuft zu Taylor zurück und zeigt ihm den Ort, damit er Proben nehmen kann. „In dem Schlamm vom Golfplatzteich in Brisbane waren die besten Proben“, schwärmt Taylor, „es war der stinkendste Schlamm, den Tamarind mir je gezeigt hat.“

Taylor hat seine Dingo-Mischlingshündin bekommen, als sie ein Welpe war und er noch als junger Mann in einem Restaurant in Gold Coast arbeitete, einem Städtchen an der Ostküste Australiens. „Sie ist sehr, sehr intelligent“, sagt Taylor stolz. „Ich spreche mit ihr wie mit einer Person, deshalb hat sie viele Wörter gelernt. Sie spricht sogar selbst ein paar Worte. Ich frage sie zum Beispiel: „Wie sieht Daddy aus, wenn er unrasiert ist? Sie sagt: Rau. Es gibt viele Fragen, auf die man mit ‚rau‘ antworten kann, deshalb haben Tamarind und ich viel Spaß zusammen.“

Taylor weiß über Dingos fast ebenso viel wie über physikalische Mikrobiologie. Dingos, erzählt er, haben niemals einen Herren, sondern nur einen besten Freund. „Sie laufen sofort weg, wenn sie nicht gleichberechtigt behandelt werden.“

Wegen der Gleichberechtigung hat Taylor Tamarind jetzt schon zum dritten Mal in einem Fachaufsatz für eine wissenschaftliche Publikation erwähnt. In der Ausgabe vom 2. Februar des Journal of Microscopy spricht Taylor einer gewissen Tamarind Taylor seinen Dank aus. Die Herausgeber haben wohl gedacht, Tamarind sei seine Frau. „Vielleicht haben sie inzwischen erfahren, dass es meine Hündin ist“, sagt Taylor uninteressiert. Sein Motto: „Ehre, wem Ehre gebührt.“