Christen gegen Mauren

Das Berdorf Válor liegt im östlichen Teil der spanischen Alpujarras und war im 16. Jahrhundert das Zentrum der Kämpfe zwischen Christen und Mauren. Jedes Jahr feiern die Bewohner dort vom 12. bis zum 15. September den Sieg der Christen

Stolz befestigen die Mauren ihre Fahne mit dem Halbmond an dem Turm

von CHRISTINE HAUPT

Spätestens am Abend des 14. September ist ganz Valór auf den Beinen und eilt zur Prozession des heiligen Christus. Von der Kirche aus beginnt der Zug mit dem goldfarbenen Christuskreuz, das auf einem mit roten Blumen und erleuchteten Lampen geschmückten Podest auf den Schultern der Männer getragen wird. Rechts und links der Gruppe erleuchten die Menschen mit langen Kerzen den Weg. Dahinter folgt das Blasorchester und darauf die zirka 30-köpfige „Armee der Christen“, ausgerüstet mit langen Lanzen, silbernen Helmen und in einer gelb-roten Uniform, Ledersandalen und roten Strumpfhosen. Wie ein Feuergefecht von Maschinengewehren schießen in immer schneller werdenden Intervallen die Feuerwerkskörper in die Luft – bis an die Schmerzgrenze.

Válor, ein kleiner Ort mit rund 2.000 Einwohnern, liegt im weitläufigen Bergland der Alpujarras – drei Autostunden von Granada entfernt. Hier feiern im September die Einwohner in einem Open-Air-Spektakel den siegreichen Kampf der Christen gegen die Mauren. Seit ungefähr 140 Jahren ist die viertägige Feier vom 12. bis zum 15. September fester Bestandteil der Dorfkultur. Zu fast jedem Haushalt gehört ein handgefertigter Rüstungshelm, der schon vom Großvater in den nachgestellten Gefechten getragen wurde, oder ein anderes Requisit für die Aufführung. In wochenlanger Vorbereitung werden die Kostüme genäht und die historischen Texte aus dem 19. Jahrhundert von Enriqueta Lozano aus Granada auswendig gelernt.

Der Leiter der Ortsfeuerwehr jagt vor der Kirche die Leuchtraketen in die Luft, damit auch die entfernter gelegenen Bergdörfer von dem Fest erfahren: Mit der Eroberung Granadas im Jahr 1492 durch die katholischen Könige Isabella I. von Kastilien und Ferdinand II. von Aragonien begann der Kampf der muslimischen Mauren für ihren Glauben und ihr Besitztum. Mit der Enteignung ihrer Ländereien entlud sich die Wut der Mauren im Jahr 1550 in den ersten gewaltigen Aufständen in der abgeschiedenen Bergregion. Nach der Niederschlagung mussten sich die Mauren zwischen der Konvertierung und der Emigration entscheiden.

Die nächste große Eskalation beschwor der neue König Philipp II. herauf, als er 1567 den Morisken (konvertierten ehemaligen Muslims) den Gebrauch der arabischen Sprache, Namen und Kleidung, islamische Sitten und die Religionsausübung verbot. Unter der Führung des Morisken Abén Humeya eskalierten die Spannungen in der Rebellion von 1568, die einen zweijährigen Bürgerkrieg nach sich zog, der Anfang 1569 in Válor 800 Menschen das Leben kostete.

Für die „Fiesta de Moros y Cristianos“ (das Fest der Mauren und Christen) wurde auf dem Marktplatz ein Turm im typisch maurischen Stil, der Alhambra von Granada ähnelnd, aufgebaut. Der Platz ist für das Schauspiel abgesperrt. Mit Fächer, Sonnenschirm und Baseballmütze ausgestattet, drängen sich die Zuschauer um den Platz. Unter Begleitung lauter Blasmusik marschiert die christliche Armee in ihrer gelb-roten Uniform auf den Marktplatz und den dort aufgebauten arabische Turm zu. Hoch zu Ross und in Rüstung trägt der König der Christen ein Christusbild in die Runde. Mittlerweile haben drei Soldaten den Turm eingenommen, nehmen in akrobatischen Verrenkungen das Bild entgegen und hängen es an den Turm. Es dauert nicht lange, und die Mauren stürmen den Platz in weißen Gewändern, blauen Schärpen und mit geschulterten Gewehren. Das Gefecht beginnt. In ohrenbetäubendem Lärm werden die Salven der Platzpatronen abgefeuert, Kopf an Kopf rangeln die Armeen miteinander, gelegentlich scheint es, als bringe das Schwarzpulver die Flinte selbst zum Zerbersten. Die Luft füllt sich mit Rauch und Staub, es riecht nach Schwefel. Irgendwann stürmen dann die Araber den Turm und werfen den letzten Christen vom Turm in die Arme seiner Glaubensbrüder. Diese geben sich geschlagen. Stolz befestigen die Mauren ihre silberne Fahne mit dem goldenen Halbmond an dem Turm.

Am Abend wird der Kampf gegen 19.30 Uhr fortgesetzt. Diesmal behalten die Christen die Oberhand, gewinnen die Macht über die Festung zurück und befördern nun ihrerseits in einer halsbrecherischen Aktion den Mauren vom Turm. Der König der Christen und der König der Mauren finden schließlich eine friedliche Lösung und bekräftigen vor dem Publikum ihre Brüderschaft: „Ayer fuiste mi enemigo, y hoy eres mi tierno hermano“ („Gestern warst du mein Feind, und heute bist du mein sanfter Bruder“). Einträchtig reiten beide, das Bild Christi in ihrer Mitte haltend, vor den vereinten Armeen unter tosendem Beifall der Zuschauer von dem Schauplatz. So wünscht man sich einen fairen Kampf.

Die nächstgelegenen Flughäfen befinden sich in Granada und Almería. Aus diesen Städten erreicht man die Alpujarra mit der Busgesellschaft Alsina Graells oder mit einem Leihwagen.Für die Festtage am 14. und 15. September sollte man frühzeitig Unterkünfte reservieren. In Válor selbst bietet das Hostal Las Perdices (9 58 85 18 21) in der Calle Torrecilla geräumige Doppelzimmer mit Bad. Fünf Kilometer westlich von Válor befindet sich der Ort Yegen, der in den 1920er-Jahren die Wahlheimat des Schriftstellers Gerald Brenan war. Am Ortsrand liegt die hübsche Pension El Rincón de Yegen (9 58 85 12 70) mit schönem Ausblick in die Berglandschaft. Unterkunftsverzeichnisse für die Provinzen Almería und Granada können zudem beim Spanischen Fremdenverkehrsbüro, Myliusstr. 14, 60323 Frankfurt am Main, oder telefonisch unter (0 69) 72 50 38 oder -33 angefordert werden.