Die French Connection

Der stinkende Atem der Unterwerfung: Die französische Schriftstellerin Catherine Breillat erzählt in ihrem neuen Roman „Pornocratie“ von Männern, Frauen und obsessiver Begierde

Bücher französischsprachiger Autorinnen boomen. Das Signum Literatur beanspruchen können die Romane von Marie Darrieussecq, Claire Legendre, Marie-Sissi Labrèche, Christine Angot – und nicht zuletzt Catherine Breillat.

Catherine Breillat. Jahrgang 1948, Filmregisseurin, Drehbuchautorin, Schriftstellerin und Radikalfeministin. Ihr Debütfilm „Une vraie jeune fille“ von 1976 wurde erst 1999 für die französischen Kinos freigegeben. Er basiert auf ihrem gleichnamigen Roman, der in Deutschland unter dem Titel „Ein Mädchen“ erschien. Zwei Filme prägten sie: Bergmans „Abend der Gaukler“ und Buñuels „Viridiana“. Sie schrieb das Drehbuch zu dem Film „Bilities“ (1977) von David Hamilton und zwei Dutzend weiteren Filmen. In dem Film „Der letzte Tango von Paris“ (1982) spielte sie selbst mit, und nachdem sie im vergangenen Jahr in Kanada „Sex Is Comedy“ abgedreht hat, arbeitet sie zurzeit an ihrem elften Film „Anatomie de l’enfer“, basierend auf ihrem Roman „Pornocratie“, der jetzt auf Deutsch erschienen ist. Die Protagonistin findet sich wieder im Spiegelkabinett einer Schwulenbar. Einen der Männer lädt sie ein in ein einsames Haus. Ein kaltes Macht- und Spiegelspiel, welches sich über mehrere Tage, genauer: mehrere Nächte, hinzieht und ein tödliches Ende nimmt.

Das Geschlecht einer Frau – ein Schlund, „diese breiige Masse“, lebendiger Abgrund eines geschlitzten Wesens, dessen „Geschlecht verborgen ist und voller Arglist“ – und Männer: „Sie nehmen uns, sie vergewaltigen uns, Frauen haben, nennen sie das, aber sie haben nichts.“ – Es geht nicht um herangezüchtete weibliche Blickkonnotationen des eigenen Geschlechts, „denn es ist tatsächlich so, dass ihr nichts seht.“ Es geht um die Männer und ihre „Angst vor diesem Blut, das ohne jede Verletzung fließt“.

Ambivalent und präzise schildert der Roman eine obsessive Begier, die jenseits des Begehrens brutal und mental taumelt zwischen dem Zwang zur Unterwerfung und der Fähigkeit der Hingabe. Doch die „Methode reiner, distanzierter Reflexion“ wird „vom stinkenden Atem der Unterwerfung hinweggefegt“.

Catherine Breillat erforscht in all ihren Filmen neben Familienverhältnissen, dem Erwachsenwerden und dem Erwachen der Sexualität auch, und so auch in diesem kleinen kraftvollen Roman, die Wahrnehmung der weiblichen Sexualität als einer auferlegten: das Geschlecht, das nicht eins ist. Aber der männliche Blick auf die weibliche Sexualität erliegt der penetranten Replikation des Objektes, eine Sichtweise, die die Erzählerin assoziativ und offen reflektiert, gewissermaßen zurückspiegelt. „Unsere Welten, die des Mannes und die der Frau, können sich zwar durchdringen, doch verstehen oder zusammenkommen können sie nicht, und schon gar nicht einander besitzen.“ Die Wucht, die literarische Gewalt dieses kaum einhundert Seiten starken Buches ist immens. Ein erzählerischer Shortcut, um Längen besser als die Reportagen aus der Arbeitswelt einer Catherine Millet, Nelly Arcan oder Raffaëla Anderson. VOLKER FRICK

Catherine Breillat: „Pornocratie“. Aus dem Französischen von Sabine Schwenk. Goldmann, München 2003, 94 S., 6,90 €