Der Tod und die Mädchen

Eine Provinzkommissarin ermittelt in Michel Friedmans früherer Welt: „Die Frau aus dem Meer“, 20.15 Uhr, ZDF

Es ist ein Kreuz mit den meisten Provinzkrimis: Entweder stellen sie ihre Regionalität derart pittoresk in den Vordergrund, dass einen Mundartermittler und andere Kurdirektorengefälligkeiten bald nerven. Oder die Handlung landet früher oder später in Berlin. „Die Frau aus dem Meer“, die da heute als Fernsehfilm der Woche im ZDF angespült wird, gehört in die letztere Kategorie.

Wer angesichts des Titels Küstenkrimi mit Matjes bestellt hatte, dürfte das Ganze also als Etikettenschwindel empfinden. Denn Kommissarin Nora Jaspers (Anja Kling) von der Kripo Husum nimmt eine Spur aus der Luftröhre der am Strand gefundenen Leiche auf – und reist sofort in die Hauptstadt. Schließlich gehört die Handynummer auf dem Papierkügelchen, das die Ermordete in letzter Sekunde verschlucken wollte, einem schillernden Politjournalisten.

Der hört auf den in Medienkreisen nicht ganz unbekannten Namen Kress (so heißt real ein etwas in die Jahre gekommener Fachdienst) und wohnt natürlich in Berlin und nicht in Schle-Ho (und noch nicht mal in Hamburg – sorry!). Ulrich Tukur spielt ihn glänzend auf dem schmalen Grat zwischen völliger Schmierigkeit und normal-eitler Selbstüberschätzung.

Jaspers ist in Berlin alles andere als unbekannt – sie hatte sich auf eigenen Wunsch an die Küste wegbeworben – doch die alten LKA-Kollegen wollen sie nicht so recht mitmachen lassen. Kress, erfährt sie dennoch, bestellt bei einem Menschenhändler dann und wann Mädchen für den sexuellen Zeitvertreib. Und dahinter wiederum steckt die Russenmafia, mit der das LKA aber seine liebe Not hat: Schließlich sind neben Kress auch viele andere aus der Berliner Hautevollee Stammkunden – inklusive Polizeipräsident Kolberg (Hanns Zischler) höchstpersönlich.

Alles, was ein spannender Plot braucht, könnte man meinen, doch das Drehbuch sieht’s anders: Weil es derzeit offenbar zum kleinen Einmaleins des TV-Krimis gehört, dass die Hauptfigur selbst metertief in den Fall verstrickt sein muss, ist Jaspers die Tochter von Kolberg, der die Familie schon vor langer Zeit schnöde sitzen ließ. Anscheinend reicht auch das noch nicht, und so kandidiert der Herr Polizeipräsident gerade als Law-and-Order-Mann für das Amt des Regierenden Bürgermeisters.

Das wiederum bringt ihn in Kontakt zu Kress, in dessen Talkshow Politiker gegrillt werden – und sich zwei rote Sessel so nahe stehen wie sonst nur bei Michel Friedman, der hier mitsamt Koks-und-Nutten-Affäre Pate stand. Die Auflösung des Falls gelingt dann trotz sehr guter Schauspieler höchstens schwach befriedigend: Die Frau vom Strand hieß Elena und stammte aus der Ukraine. Und, nein, so einen Film hat Friedman nicht verdient. STEFFEN GRIMBERG