Streit um Gesichtserkennung: Letzte Frist für Facebook

Seit Monaten ringt der Hamburger Datenschützer Johannes Caspar mit Facebook um die Gesichtserkennung des Netzwerks. Jetzt erhöht er den Druck.

Johannes Caspar ist Datenschutzbeauftragter von Hamburg. Dort sitzt auch Facebook. Bild: privat

HAMBURG taz | Der Hamburger Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar hat dem Internetkonzern Facebook eine letzte Frist gesetzt, um die Gesichtserkennung in dem Netzwerk nach europäischen Datenschutzstandards zu gestalten. Bis zum 7. November soll das Unternehmen aus Kalifornien sagen, wie es Caspars Forderungen erfüllen will.

"Die Zeit für Verhandlungen ist jetzt vorüber. Wir brauchen eine klare Bestätigung, dass Facebook unsere Vorgaben umsetzen will", sagte Caspar taz.de. Sonst werde es unumgänglich, rechtliche Maßnahmen zu ergreifen. Konkret fordert er, die Facebook-Mitglieder transparenter zu informieren und ihre Zustimmung einzuholen.

In der Auseinandersetzung zwischen Facebook und dem Datenschützer geht es um die Gesichtserkennung, die der Konzern Anfang Juni in Deutschland für seine Fotoverwaltung eingeführt hat. Seitdem werden Namen zu Gesichtern vorgeschlagen, wenn man Bilder auf die Facebook-Seiten lädt. Bestätigt man, dass es sich um die richtigen Namen handelt, werden sie den Bildern als eine Art Etikett hinzugefügt.

Caspar ist sich sicher, dass Facebook dafür gerade eine riesige Datenbank mit biometrischen Informationen anlegt. Der Konzern selbst hat der taz trotz mehrfacher Nachfrage keine Angaben dazu gemacht, wie die Gesichtserkennung technisch funktioniert. Facebook lehnt sogar den Begriff ab und spricht von "Markierungsvorschlägen".

"Fotomarkierungen"

Facebook hat seine "Fotomarkierungen" im Juni eingeführt. Wer die Erfassung seiner Bilddaten verhindern will, muss sie abstellen. Als Reaktion auf Kritik von Nutzern und Datenschützern hat das Netzwerk es in den vergangenen Wochen einfacher gemacht, die "Fotomarkierungen" abzulehnen. Unter "Privatsphäre-Einstellungen", "Funktionsweise von Markierungen" muss man "Markierungsvorschläge" auf "aus" stellen.

Johannes Caspar fordert seit der Einführung in Deutschland, dass die "Markierungsvorschläge" standardmäßig "aus" und nicht "an" sind. Darüber berichtete im August sogar die New York Times. Caspar befürchtet durch die Einführung der Technik weitreichende Konsequenzen. "Es lösen sich gerade Grenzen auf", sagt der Datenschutzbeauftragte taz.de. "Der bisherige Begriff der Privatsphäre wird sich durch die flächendeckende Einführung der automatisierten Gesichtserkennung tiefgreifend verändern."

Eigentlich wollte sich auch die Politik einschalten. Als viele Deutsche im Sommer 2010 gegen Google Street View protestierten, kündigte der damalige Bundesinnenminister Thomas de Maizière einen Entwurf zu einem Rote-Linie-Gesetz an, das Internetkonzernen klare Grenzen setzt.

Bis heute ist so ein Gesetz aber nicht auf den Weg gebracht worden. Man befinde sich noch in einer "Reflexionsphase", teilt das Ministerium mit, man spreche mit "Wissenschaftlern und Praktikern aus den Bereichen Zivilrecht, öffentliches Recht, Medienrecht und öffentliche Sicherheit".

Mangelnde Ahndung

Das Ministerium habe allerdings vor, "zunächst die europäische Entwicklung abzuwarten und mitzuprägen". Der Entwurf eines neuen EU-Rechtsakts zum Datenschutz sei für November 2011 angekündigt. Wichtig seien auch öffentliche Initiativen, die die Internetnutzer über ihre Rechte im Datenschutz aufklären.

Eigentlich verbietet das EU-Datenschutzrecht internationalen Unternehmen wie Facebook, personenbezogene Daten in Ländern zu speichern, deren Standards niedriger sind als die Europas. Zum Glück für Facebook haben EU und USA das Safe-Harbor-Abkommen abgeschlossen. Darin verpflichten sich Facebook, Google und andere Online-Konzerne, die EU-Standards zu achten. Aber: Verstöße werden bisher nur geahndet, wenn sich jemand beschwert.

Das Innenministerium erklärt, es prüfe gerade auch die "konsequente Anwendung bereits bestehender Gesetze".

Wie genau die Gesichtserkennung funktioniert, wie es jetzt schon technisch möglich wäre, Wildfremde auf der Straße mit dem Handy zu identifizieren und wie Johannes Caspar gegen diesen Verlust der Anonymität kämpft, lesen Sie in der Ganzen Geschichte "Die Enthüllung“ in der aktuellen sonntaz - am Kiosk, eKiosk oder im Wochenendabo. Und auf Facebook

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