„Mehr Qualität für die Kontrolle“

Wolfgang Arenhövel, der Präsident des Deutschen Richterbunds, hält Richtervorbehalte für unverzichtbar, warnt aber vor der Ausuferung

taz: Herr Arenhövel, jüngste Untersuchungen zeigen: Richter genehmigen fast alles, was die Staatsanwaltschaften beantragen. Ist der Richtervorbehalt nur noch ein Feigenblatt?

Wolfgang Arenhövel: Auf keinen Fall. Die Kontrolle durch unabhängige Richter ist unverzichtbar, um die Bürger vor rechtswidrigen Durchsuchungen und Überwachungen zu schützen. Gerade weil die Richter gründlich kontrollieren, beantragen die Staatsanwälte in der Regel nur Maßnahmen, die auch genehmigt werden können.

Meist begründen die Richter ihre Beschlüsse nur formelhaft oder übernehmen sogar die Antragsbegründung der Staatsanwaltschaft, heißt es in einer Studie.

Die Richter haben wenig Zeit zur Verfügung und die nutzen sie vor allem zur rechtlichen Prüfung der Anträge. Gespart wird dann bei der Begründung der Beschlüsse.

Bei Hausdurchsuchungen sollen 95 Prozent aller Anordnungen wegen „Gefahr im Verzug“ von der Staatsanwaltschaft stammen. Läuft der Richtervorbehalt hier völlig leer?

Das sind Zahlen aus einer nicht mehr aktuellen regionalen Studie, die leider immer noch häufig zitiert werden. In den letzten Jahren ist die Zahl der Eilentscheidungen durch die Staatsanwaltschaft ständig zurückgegangen. Besonders schwerwiegende Durchsuchungen werden heute nahezu ausschließlich durch Richter angeordnet.

Die Bundesregierung will in diesem Jahr mit der Reform des Richtervorbehalts beginnen. Sehen Sie gar keinen Änderungsbedarf?

Doch. Der Deutsche Richterbund schlägt vor, dass für Ermittlungsmaßnahmen künftig nur noch das Amtsgericht am Sitz der Staatsanwaltschaft zuständig sein soll und nicht wie bisher das aus Sicht des Beschuldigten nächstgelegene Gericht.

Was soll das bringen?

Zunächst praktische Vorteile, die sich aus der räumlichen Nähe zur Staatsanwaltschaft ergeben. Entscheidend ist aber, dass die Konzentration der Zuständigkeit zu größerer Berufsroutine führt und die Spezialisierung der Richter fördert. Letztlich wird so die Qualität der Kontrolle erhöht.

Die Installation von Wanzen in Wohnungen muss von einer Kammer aus mehreren Richtern genehmigt werden. Ist das ein Modell für andere Richtervorbehalte?

Nein. In der Regel genügt wie bisher ein Einzelrichter. Allein in der Strafprozessordnung gibt es 55 Richtervorbehalte. Nicht jede unter einem solchen Vorbehalt stehende Ermittlungsmaßnahme bedeutet einen so schwerwiegenden Grundrechtseingriff wie der so genannte große Lauschangriff.

Sollten alle heimlichen Ermittlungsmaßnahmen vom Richter genehmigt werden?

Nein. Schließlich beginnen die meisten Ermittlungsverfahren ohne Wissen des Beschuldigten. Wenn man alle diese Maßnahmen unter Richtervorbehalt stellt, könnten Ermittlungsverfahren nicht mehr in angemessener Zeit abgeschlossen werden. Im Übrigen erfordert auch der vom Grundgesetz gebotene Schutz des Beschuldigten keinen absoluten Richtervorbehalt.

Lehnen Sie also jede Ausweitung des Richtervorbehalts ab?

Die technischen Möglichkeiten von Kriminellen, aber auch der Polizei verändern sich laufend, deshalb erhalten die Ermittler immer wieder neue Befugnisse. In gravierenden Fällen müssen dabei auch neue Richtervorbehalte eingeführt werden. Sinn macht das aber nur, wenn auch entsprechend mehr Richterkapazität zur Verfügung steht.

Könnte ein Abbau von Richtervorbehalten an anderer Stelle helfen?

In manchen Fällen, wie teilweise bei der DNA-Analyse, ist der Wegfall von Richtervorbehalten zu erwägen. Das bloß formale Abhaken möglichst vieler Akten durch die Justiz bringt kein Plus an Rechtsstaatlichkeit. Die Richter sollten sich auf wirklich sensible Konstellationen konzentrieren können.

Hinweis: WOLFGANG ARENHÖVEL, 57, wurde im vergangenen Jahr zum Vorsitzenden des Deutschen Richterbundes (DRB) gewählt. Er ist Präsident des Landgerichts Osnabrück und SPD-Mitglied