Fußballnationalmannschaft Vietnams: Rang 134

Ex-Bundesligatrainer Falko Götz trainiert die Fußball-Nationalelf Vietnams. Dabei hat er nicht nur mit einem miserablen Platz in der Weltrangliste zu kämpfen.

Noch nicht ganz synchronisiert: Falko Goetz und Verteidiger Huynh Quang Thanh. Bild: dapd

HANOI taz | Falko Götz schuftet. Er ruft, er gestikuliert, er rennt den Rasen auf und ab, den Übersetzer immer an der Seite. Seit Juni ist Götz Nationaltrainer von Vietnam. Um ihn herum laufen an diesem Nachmittag die jungen Spieler der U23-Mannschaft.

5:0 hat das Team am Vorabend in einem Freundschaftsspiel gegen Myanmar gewonnen, aber Götz war nicht zufrieden. "Zu hektisch", sagt er. Irgendwie wirkt der Trainer, der mal in der Bundesliga bei Hertha BSC Berlin auf der Bank saß und nun ein Spiel der jungen Vietnamesen anschaut, deplatziert. "Aber es hilft, dass ich früher auch viel im Jugendbereich gearbeitet habe", antwortet Götz achselzuckend.

Einen Eindruck will er auf jeden Fall vermeiden: dass Vietnam ein Verlegenheitsjob für ihn ist. Ein Zeitungsartikel, der das nahelegte, hat ihn sichtlich verärgert: "Es geht darum, etwas aufzubauen. Nationalteam, Jugend, Trainer fortbilden. Das ist es, was mich reizt."

Kurioserweise hängt Götz' Überleben als Trainer erst einmal von genau dieser U23 ab. Angestellt ist er zwar vor allem als Nationaltrainer für die A-Mannschaft, aber Anfang November tritt die U23 bei den "SEA Games" in Indonesien an, den Südostasienspielen. Alle Nachbarn in der Region messen sich miteinander. Darunter Fußballzwerge wie Osttimor oder Myanmar. Halbfinalteilnahme ist Pflicht.

Falscher Fokus

"Der Fokus ist falsch hier", sagt Götz. Die Südostasien-Meisterschaften stehen in der Bedeutung über allem. Olympia? WM? Zweitrangig. Da die Chance auf das Erreichen der Endrunde gleich null sind, wird auch der Vorrunde kaum Beachtung geschenkt. Götz würde das gerne ändern. Der Lohn wären starke Gegner, Erfahrung für die Spieler und eine bessere Platzierung in der Weltrangliste (aktuell: Rang 134).

"Solange Vietnam so weit unten steht, wird es immer gegen deutlich bessere Länder gelost werden", sagt Götz. So wie in der WM-Qualifikation für 2014: Da musste Vietnam in der zweiten Runde gegen Katar antreten. Unter der Leitung des deutschen Trainers gewannen die Vietnamesen zwar das Rückspiel, das reichte aber nicht für die Gruppenphase. Bevor Deutschland überhaupt von der WM-Qualifikation spricht, ist Vietnam bereits ausgeschieden.

Götz will auch den Spielstil ändern. Flache Pässe, flache Flanken und Stürmer, die sich mit kurzen Sprints vor den Abwehrspieler schieben, sollen her: "Ich war selbst Abwehrspieler, ich weiß, wie unangenehm das sein kann, wenn ein kleiner Spieler mich andribbelt." Stattdessen aber versuchen viele Spieler, ihre deutlich größer gewachsenen Helden aus den europäischen Ligen zu kopieren. In der vietnamesischen Liga wiederum spielen zahlreiche Südamerikaner oder Afrikaner. Die Vereine trainieren dementsprechend. Auch das meint Götz damit, wenn er seinen Auftrag umfassender sieht.

Einen Vietnamesen nach Deutschland zu locken, dürfte allerdings schwierig werden: Die üppigen Gehälter für Spitzenspieler von teilweise 120.000 Euro im Jahr plus Prämien würde wohl kein Zweitligist einem Neuling aus Vietnam zahlen. Die Zahlungen sind im Schwellenland Vietnam auch nur durch zahlungskräftige Werksclubs und Sponsoren zu erklären; für viele Büroangestellte sind 200 Euro im Monat bereits ein ansprechendes Gehalt.

Fehlende Generation

Vietnam ist fußballbegeistert, die englische Premier League flimmert das ganze Wochenende über mehrere Fernsehkanäle. Während die vietnamesische Liga aber auf dem Land durchaus 20.000 Zuschauer anzieht, interessiert sie in Hanoi kaum, viele Hauptstädter wittern dort Korruption und Wettskandale.

Götz fehlt im Nationalteam fast eine komplette Generation an Spielern, weil sie 2005 nach verkauften Wetten gesperrt oder inhaftiert wurden. Der Deutsche baut also zwangsläufig auf junge Spieler, darunter auch eine Handvoll aus der U23-Mannschaft. Seine ersten Wochen bestanden aus "Reisen, Reisen, Spiele-Anschauen".

Er hat einen deutschen Physiotherapeuten eingestellt, der mit den verletzten Spielern intensiv trainiert. Vorher hatten sie meistens frei. "Seitdem melden sich plötzlich weniger Spieler krank", sagt Götz verschmitzt. Seine Vorgänger sind teilweise zu Ikonen im Land aufgestiegen.

Als der österreichische Trainer und Götz-Vorgänger Alfred Riedl 2006 eine Nierenspende brauchte, meldeten sich vietnamesische Fußballfans als Spender. Der Portugiese Henrique Callisto erreichte vor drei Jahren mit Vietnam sogar das Viertelfinale der Asienmeisterschaften. Beide mussten später gehen, weil sie in einem der Südostasien-Turniere zu schlecht abschnitten. Falko Götz ist gewarnt.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.