Heftige Schelte für Chef des Richterbunds

Kritik und Rücktrittsforderungen nach Äußerung zu Rechtmäßigkeit von Folter. Anwälte sehen „Rückfall ins Mittelalter“

BERLIN/FRANKFURT dpa ■ In der Debatte um Folterdrohungen bei Vernehmungen durch die Polizei hat das Bundesjustizministerium klargestellt, dass Aussagen grundsätzlich nicht mit Gewalt erzwungen werden dürfen. „Folter ist in einem Rechtsstaat verboten und geächtet“, sagte gestern eine Sprecherin von Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD). Dies ergebe sich eindeutig aus der Europäischen Menschenrechtskonvention, dem Grundgesetz und den geltenden Strafbestimmungen in Deutschland. Davon sei die Frage zu unterscheiden, ob die Androhung von Folter nach den Grundsätzen eines Notstands in Ausnahmefällen legitimiert sein könne. Die Sprecherin nahm damit Bezug auf die aktenkundige Folterandrohung der Frankfurter Polizei im Entführungsfall Jakob von Metzler.

Mit mehreren Interview-Äußerungen hatte der Vorsitzende des Deutschen Richterbunds, Geert Mackenroth, der Debatte zuletzt eine schärfere Richtung gegeben. Es könne Situationen geben, so Mackenroth, „in denen die Anwendung von Gewalt zur Rettung höherwertiger Rechtsgüter erlaubt sein kann“. Die Polizisten seien in einer „schlimmen Konfliktsituation“ gewesen.

In seltener Einigkeit kritisierten Juristenverbände, Politiker und Polizeigewerkschaften die forsche Aussage des Richters. „Wir sind in der Gefahr, in unserer Rechtskultur ins finstere Mittelalter zurückzufallen“, sagte der Vizepräsident des Deutschen Anwaltsvereins, Georg Prasser. „Wenn man einmal mit dem Foltern anfinge, gäbe es kein Halten mehr“, warnte der Frankfurter Staatsrechtler Erhard Denninger. Auch die Polizeigewerkschaften GdP und BDK, amnesty international, der republikanische Anwaltsverein, die neue Richtervereinigung sowie Politiker der rot-grünen Koalition betonten die Unvereinbarkeit der Folter mit Rechtsstaat und Menschenrechten. Der SPD-Politiker Dieter Wiefelspütz forderte bereits Mackenroths Rücktritt.

Die Debatte hatte sich an einer erst in dieser Woche bekannt gewordenen Anordnung des Frankfurter Polizeivizepräsidenten Wolfgang Daschner entzündet, den mutmaßlichen Mörder des Bankierssohns Jakob von Metzler notfalls zu foltern und ihm dies vorher anzudrohen, um den Aufenthaltsort des Entführten herauszufinden. Daraufhin hatte der Verdächtige den späteren Leichenfundort genannt.

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