Der herrliche Franz

Franz Burda, der Offenburger Verleger von Wohlfühlzeitschriften wie „Bunte“, „Bild + Funk“ und „Freizeit Revue“, wäre am 24. Februar hundert Jahre alt geworden. Das Porträt eines erfolgreichen Opportunisten

von PETER KÖPF

Franz Burda wusste Geld durchaus zu schätzen, aber das durfte sein Sohn ihm nicht erzählen: Eine Milliarde Mark Umsatz hatten die Druckereien in den USA gemacht, und als nach einem Jahr die erste Abrechnung kam, waren 45 Prozent Überschuss geblieben. Solche Gewinne zu behalten, hätte der Alte sich geschämt. Alle Kunden zu Hause waren Freunde, und wenn ein hoher Gewinn erzielt worden war, predigte Franz senior Franz junior: „Das kannst du meinem Freund Schöpflin nicht antun. Jetzt reden wir mit dem Hans, und du gibst ihm was zurück.“ Der Junior schüttelt heute den Kopf.

In der Wirtschaftswunderzeit hatten deutsche Kapitalisten noch ein Gewissen. Seinen Wohlstand zeigte Franz Burda nicht öffentlich; selbst nachdem er seine erste Million längst gemacht hatte, fuhr er einen alten VW Käfer. Bescheiden war er deshalb noch lange nicht. Und unschuldig schon gar nicht.

Hubert Burda, der heutige Hüter des Imperiums, benennt den schwachen Punkt im Leben seines Vaters: „Mein Vater wäre möglicherweise in den Nationalsozialismus reingetaumelt; aber nicht weil er ein Nazi war, sondern weil er sich als Unternehmer gute Chancen ausgerechnet hat.“ Verhindert habe dies nur die Mutter. Die hätte von Anfang an gewusst, dass die Nazis „Kriminelle“ seien. Die Wahrheit ist: Trotz des treffenden Urteils seiner Frau trat Franz Burda in die NSDAP ein. Um seine Geschäfte zu befördern, kroch er vor den Nazis zu Kreuze. Im Verlag und in der Druckerei seien „weder jüdisches Kapital noch Angestellte, Arbeiter oder Mitarbeiter tätig“, schrieb Burda am 2. April 1933 in seiner Hörfunkzeitschrift Sürag (südwestdeutsche Radiozeitung). Die Gesinnung des Unternehmens sei „von jeher kerndeutsch und vaterländisch gewesen“. Wenig später bekannte er: „National und sozialistisch ist das Denken, Wollen und Handeln der Sürag; in ihr lebt der Geist der neuen Zeit!“

Franz Burda schrieb Elogen auf den „Führer“, jagte mit dem Gauleiter, profitierte von einer Arisierung und druckte Landkarten, nach denen die Luftwaffe ihre Angriffe auf russische und ukrainische Städte flog. Burda hätte seine Hallen auch zur Rüstungsproduktion umgebaut, wenn die Wehrmacht es zugelassen hätte. Persönlich war er nach Berlin gefahren, um sich der Wehrmacht anzudienen.

Der Mai 1945 war für Franz Burda nicht Befreiung, sondern Zusammenbruch. Sein Unternehmen jedoch florierte. Und das zählte. Die französischen Besatzungsbehörden brauchten einen wie ihn, der Schulbücher und Briefmarken drucken konnte, und pfiffen auf die Vereinbarungen der Alliierten zur Entnazifizierung. Während in der amerikanischen Zone die Altverleger sich bestenfalls damit begnügen mussten, die Blätter anderer zu drucken, durfte Franz Burda schon wieder eine eigene Zeitschrift machen; die spätere Bunte. Im Frühjahr 1948 hieß das Blatt noch Das Ufer und wollte „Zeitschrift junger Menschen“ sein.

Während er zum Ende des Kriegs die Weinvorräte lieber der SS geschenkt hatte, als sie den einrückenden Franzosen zu überlassen, fraternisierte Burda nun mit dem Feind von einst. Mit Erfolg. Der Pressechef der Zone, Offizier Raymond Schmittlein, schenkte ihm ein neues Magazin. Allerdings ließ er die Lizenz Nr. 3934 auf eine „Strohfrau“ ausstellen: Erika Pagelsen, eine Französischlehrerin, mit der Schmittlein lange befreundet war. Als Burda wieder allein Herr im Haus war, bot er Altnazis wie dem ehemaligen Sturmbannführer Hermann Fidow-Fiddickow, der der „Schriftleitung“ der Nazizeitung Angriff angehört hatte, ein rettendes Ufer.

Die Millionen, die Burda mit dieser Lizenz zum Gelddrucken verdiente, behielt er nicht für sich allein. Franz Xaver Feist, Funktionär der IG Medien in Offenburg, kennt die Geschichte eines Druckers, der das Weihnachtsgeld im Spielkasino zu Baden-Baden durchgebracht hatte und nicht wusste, wie er das seiner Frau klar machen sollte. In seiner Not ging er zum Chef. Mit gesenktem Kopf, die Augen niedergeschlagen, stand er vor ihm und stammelte: „Ich hab Scheiß gebaut.“ Wie er eines seiner Schäfchen so ehrlich und reuig vor sich kauern sah, zog Franz Burda seinen Geldbeutel aus dem Rockschoß, holte ein paar Scheine heraus und zahlte dem Mann das Weihnachtsgeld ein zweites Mal aus.

Auch Karlheinz Binder erlebte eine Überraschung: Es war Heiligabend, als Franz Burda seinen Prokuristen noch einmal zu sich rief. Im 13. Stock drückte ihm der „Senator“, wie er sich nennen ließ, seit die Technische Hochschule Karlsruhe ihn 1950 zum Ehrensenator ernannt hatte, einen Umschlag in die Hand. Binder fand darin 25.000 Mark. „Natürlich war ich dafür bereit, jederzeit Überstunden zu schieben“, erzählt Binder und benennt den Unterschied eines Chefs von gestern zu denen von heute: „Fordern und fördern, das war Burdas Geheimnis. Heute gibt es ja nur noch Chefs, die fordern. Die Folge ist, dass die Leute die Leistung verweigern. Burda wusste, dass da, wo Großzügigkeit herrscht, das Geld von allein wieder zurückkommt. Denn wo Dienst nach Vorschrift gemacht wird, da gibt’s keine Zukunft.“

Franz Burda kannte sie alle, die Herren mit dem weißen Kragen in Verwaltung und Redaktion ebenso wie die Männer im Blaumann, die Damen in den Sekretariaten im Burda-Hochhaus ebenso wie die Mädchen in der Poststelle. Wenn er nicht gerade beim Münchner (Faschings-)Bal paré Kirk Douglas oder ein „Negerballett“ bestaunen, Liz Taylor und Richard Burton, Heinz Rühmann und Romy Schneider einen Bambi übergeben oder mit Max Schmeling, Franz Josef Strauß und Berthold Beitz Hirsche schießen musste, besuchte er auch die Hochzeit eines subalternen Mitarbeiters. „Darauf bin ich ganz besonders stolz“, sagte er, „dass ich bei meinen Gängen durch den Betrieb weiß, wen ich vor mir habe.“

Diese Inspektionen waren allerdings gefürchtet. Wenn er in der Druckerei Papierschnipsel herumliegen sah, fuhr er noch in den Siebzigerjahren schweigend ins Büro im 13. Stock, holte seinen alten blauen Anton, der eigentlich grau war, ein „Dreinaht“ der Firma Bücking aus dem Jahr 1952, fuhr wieder in die Druckerei, nahm einen Besen und begann pfeifend zu fegen. Wenn alles sauber war, sagte Burda nur: „Gut habt ihr das gemacht“ – und ging.

Ich bin autoritär, aber ich mach’s luschtig“, war sein Motto. Oder: „Ich bin der Patriarch, und des isch gut so.“ Für die Mitarbeiter richtete er früh eine betriebliche Krankenversicherung sowie eine Rentenunterstützungskasse ein, bezahlte übertariflich und baute kleine Häuschen in der Franz-Burda-Siedlung. „Ich bin der Meinung“, unterrichtete er Konrad Adenauer, „der deutsche Arbeiter ist der fleißigste und zufriedenste Arbeiter der Welt, wenn man ihm das Gefühl gibt, dass man ihn als Menschen achtet, seine Leistung würdigt und dass er dafür auch entsprechend bezahlt wird.“ Er nannte das „Sozialismus der Tat“.

Für die auswärtigen Mitarbeiter baute er eine Kantine, die Offenburger aber, entschied er, sollten weiter bei ihren Familien essen, denn er wollte, dass „der Geist der Zusammengehörigkeit einer Familie durch eine solche Einrichtung nicht Not leidet. Bei uns ‚Provinzlern‘ gehört nun einmal der Vater zum Mittagessen heim an den Familientisch. Und an diesem schönen Brauch soll festgehalten werden.“ Er selbst lebte dieses Beispiel vor. Der gute Mensch von Offenburg hatte immer ein Gespür für die Mehrheit, und bei dieser marschierte er mit – am liebsten an der Spitze der Prozession. Eine „starke Ich-Entfaltung“ habe ihn ausgezeichnet, analysiert Hubert Burda. Und weil seine Mutter früh gestorben, der Vater nie zu Hause gewesen sei, habe ihn ein zweiter Wunsch getrieben: „Liebt mich!“

Dass Aenne Burda geborene Lemminger mit ihrem Mann glücklich gewesen wäre, kann niemand uneingeschränkt behaupten. Burdas „Engele“ machte das Beste aus ihrer Ehe. Als sie erfuhr, dass ihr Mann mit einer anderen Frau ein Kind hatte, handelte sie. Erstens: Die Frau musste weg. Franz Burda nickte. Zweitens: „Wenn du deiner Freundin einen Verlag einrichten kannst, dann kannst du das auch mir.“ Franz Burda nickte erneut. Aber Aenne Burda akzeptierte keine Kompromisse: Sie wollte diesen Verlag, den Verlag ihrer Nebenbuhlerin. Der damals neunjährige Sohn Hubert stand dabei, als sein Vater das Problem auf seine Weise löste: „In einem Wutanfall in der Hauptstraße 13, den ich heute noch im Ohr habe, sagte er zu ihr: ‚Dann mach’s doch du!‘ Und sie sagte: ‚Das mach ich.‘ “ Elfriede Breuer musste gehen. Aus ihrem kleinen Schnittmusterverlag wurde Burda Moden.

Fortan hatte Franz Burda zwei Probleme: Er hatte seine Frau verloren, auch wenn sie im gemeinsamen Haus lebten. „Der Zug“, gab Aenne Burda 1981 freimütig zu, „ist bei uns schon lange abgefahren.“ Außerdem war sie zu einer derart großen Unternehmerin geworden, dass sogar der herrliche Franz Burda sich bedroht fühlte in seiner Einzigartigkeit, so sehr, dass er den Erfolg seiner Frau auf seinen Namen zurückführte: „Wenn es ‚Lemminger-Moden‘ hieße“, spottete er, „würden wir wahrscheinlich nichts verkaufen.“

PETER KÖPF, Jahrgang 1960, lebt als freier Journalist und Autor in Berlin. Zum Thema hat er das Buch „Die Burdas“ (Europa Verlag, Hamburg 2002, 311 Seiten, 22,90 Euro) verfasst, wofür er die unveröffentlichten Memoiren Franz Burdas sichten konnte