Künstler des Volkes

Die Revolution ist die Liebe zum Land, zur Freiheit und zur Gerechtigkeit: Ein Nachruf auf den palästinensischen Maler und Poeten Burhan Karkutli

VON GEORG BALTISSEN

Er war ein Romantiker der Seele, ein Poet des Widerstands, ein Maler der Revolution und ein Künstler des Volkes. Noch heute hängen seine Grafiken und Karikaturen in jedem palästinensischen Flüchtlingslager. Ihre Botschaft ist ebenso plakativ wie eingängig, eine Mischung aus Leidenschaft, Anklage, Ermutigung und dem Ruf nach Gerechtigkeit. „Die Revolution“, so Burhan Karkutli, „ist die Liebe zum Land, zur Freiheit, zur Gerechtigkeit.“

Revolution und Kunst waren für ihn Synonyme, Brüder im Geiste. „Die Kunst ist stark, weil sie träumt. Und die Stärke in unserer Kunst ist der Traum von der Freiheit.“ Obwohl 1932 in Damaskus geboren, hat sich Karkutli stets als palästinensischer Künstler bezeichnet und in den Dienst des palästinensischen Befreiungskampfes gestellt. Freiheit und Gerechtigkeit waren für ihn Werte, die er politisch und persönlich einforderte.

In den Siebziger- und Achtzigerjahren avancierte Karkutli zu einem der meistgedruckten und populärsten arabischen Künstler in Europa. Mit seiner Wanderausstellung der palästinensischen Kunst gastierte er nicht nur in Deutschland, sondern auch in der Schweiz, Norwegen, Frankreich, Dänemark, den Niederlanden und der arabischen Welt. Kontroversen über seine Kunst ging er nicht aus dem Wege. „Über Bilder, die israelische Bomber über dem Südlibanon mit der Aufschrift ‚Sie töten unsere Kinder‘ wurde gesagt, sie verletzten das ‚jüdische Ehrgefühl‘. Aber ich habe mich gefragt, wieso das Zeigen der Mörder das ‚jüdische Ehrgefühl‘ mehr verletzt als der Mord selbst“, kommentierte Karkutli.

In einer Kleinstadt bei Frankfurt darf er 1982 seine Ausstellung nach längerem juristischen Hin und Her zwar zeigen, das Hissen der palästinensischen Fahne wird ihm aber untersagt. An der Schweizer Grenze will der Staatsschutz seine Ausstellung beschlagnahmen. Vergeblich. Im Jahre 1986 wird dieselbe Ausstellung in Recklinghausen als „Terror“ denunziert, Karkutli selbst des Antisemitismus beschuldigt. „Mein Volk“, erklärt Karkutli, „erträgt die israelischen Bomben seit 40 Jahren. Und hier können sie nicht einmal ein Bild von uns für ein paar Tage ertragen.“

Karkutli, der an den Kunstakademien von Kairo, Ostberlin und Madrid studierte, hatte Verfolgung schon als junger Künstler erlebt. Seine erste Ausstellung 1958 in Damaskus über die Atombomben auf Hiroshima wurde vom syrischen Geheimdienst beschlagnahmt. Die Bilder tauchten nie wieder auf. Sein Leben als Exilant führte ihn um die halbe Welt. Ein künstlerischer Höhepunkt war dabei ein anderthalbjähriger Aufenthalt in Mexiko und Venezuela in den Jahren 80/81. Er adaptierte die indianische Volkskunst und verband sie mit seinen arabischen Wurzeln. Damaskus hat er nie wieder gesehen, Jerusalem hat er – unter israelischer Besatzung – nie betreten wollen. Aus der DDR wurde er rausgeschmissen. Und in der Bundesrepublik lebte der Professor für Kunst und Malerei zuletzt von der Sozialhilfe.

Seine Kritik an den Oslo-Vereinbarungen hatte 1993 zum Bruch mit der PLO geführt. In den vergangenen zehn Jahren erlangte er eine letzte Popularität als „arabischer Märchenerzähler“. Mit orientalischer Schlitzohrigkeit verteidigte er seine Grundwerte von Liebe, Gerechtigkeit und Revolution gegen die Anmaßungen der Potentaten und Diktatoren. Sein größter Traum blieb es, den palästinensischen Befreiungskampf als Filmprojekt zu realisieren. Als Vorbilder galten ihm „Vom Winde verweht“, Viscontis „1900“ oder Tolstois Epos „Krieg und Frieden“.

Karkutli, der am zweiten Weihnachtstag im Alter von 71 Jahren starb, wird heute in Bonn beigesetzt.