ortstermin: fatih akin dreht auf dem riensberger friedhof in bremen
: Heiseres Kreischen zwischen den Gräbern

Bremen-Schwachhausen: Riensberger Friedhof. Sanft schneien Herbstblätter aller Formen und Farben. Lange, gewundene Wege führen um romantisch verlandende Wasserläufe und einen See als Entenflughafen. Von immergrünen Gehölzen wird eine neugotische Kapelle umrahmt. Rhododendren werfen erste Knospen.

Ein Kleinlaster drängelt hupend Friedhofsbummler vom Weg, gesellt sich zu seiner Bezugsgruppe, weiteren Automobilen aud der EU und Hamburg. Grabsteine werden als Tisch benutzt. An der aus Stein gehauenen E-Gitarre zur Erinnerung an den 2002 verstorbenen Bremer Konzertveranstalter, Gitarristen und Produzenten Charly Born lagern Cafebecher und Bionade-Flaschen.

„Sarg, Sarg“, brüllt ein hypnotisch wacher Imperator. Fatih Akin, immer eine Flasche Volvic im Anschlag, hat sechs von den 44 Drehtagen seines neuen Films „Soul Kitchen“ in Bremen angesetzt. Heute tobt die Crew über den Riensberger Friedhof, dreht eine komödiantisch in den Slapstick lappende Beerdigungszeremonie. Zum x-ten Mal muss eine inzwischen angeheiserte Darstellerin erbärmlich heulkreischen, während sich die Statisten die Füße warm, den Boden matschig treten. Drumherum sammeln wir Medienvertreter Material für TV-Magazin-Filmchen, impressionistische Radiobeiträge und Drehortreportagen.

Nachdem die Weser-Hansestadt in Akins letztem Film, „Auf der anderen Seite“, schon üppig präsent war, hat ihn die für Bremen und Niedersachsen zuständige Filmförderanstalt Nordmedia erneut nach Bremen gelockt. Das zeige, dass Bremen „aufgrund seiner außergewöhnlichen und unverbrauchten Locations ein idealer Drehort“ sei, so Jochen Coldewey, Leiter der Nordmedia-Förderabteilung.

217.000 Euro des Vier-Millionen-Film-Budgets kommen aus seinem Haus, das damit den Filmemachern vorschreiben kann, mindestens 217.000 Euro in Niedersachsen/Bremen auszugeben. Akins Location-Scout entschied sich für Bremen. Trotzdem wird vom Friedhof im Film nicht viel zu sehen und er auch nicht in Bremen verortet sein. „Soul Kitchen“ spielt in Hamburg-Wilhelmsburg. Das Werk soll im Herbst 2009 in den deutschen Kinos starten und danach in der ARD zu sehen sein.

Heute ist der ortlose Ort der Begräbnis-Szene wieder seiner trägen Beschaulichkeit überlassen - und der Blick frei für den calvinistisch dezenten Prunk des Gräberlateins, das sehr viel über die noch Lebenden erzählt. Kiesel und Muscheln auf Grabsteinen und obskure Blumenarrangement künden von Schrecken, Angst, Schuld – und Hoffnung. Hier ein prunkvolles Mausoleum, dort ein namenlos efeuisiertes Grabgeviert und eine Gruft aus Marmor. Das Amt für Denkmalpflege hat über 70 dieser Grabmale als schützenswürdig eingestuft. Der Tod macht nicht alle gleich. JENS FISCHER