Advokaten als Konfliktvermittler

Bremer RechtsanwältInnen entdecken Mediation als neues Tätigkeitsfeld – und müssen erst einmal einige der juristischen Tugenden wieder verlernen. Bereut haben sie es nicht: „In vielen Fällen ist Mediation die bessere Lösung“, sagen sie

taz ■ „Irgendwann hatte ich keine Lust mehr, immer nur den Dobermann für Andere zu machen.“ 30 Jahre lang hatte Arnold Castringius, Spezialist für Baurecht, Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Notar Konflikte seiner MandantInnen ausschließlich juristisch geregelt – mit Klagen, Prozessen und harschen Schreiben. Dann schob er eine Ausbildung zum Mediator nach, lernte, statt verbissen die Ansprüche einer Partei zu vertreten, auch die Perspektive der anderen einzunehmen und Konflikte nicht nur als Sachverhalte und Tatbestände zu sehen. „Ich musste umdenken“, sagt Castringius. Heute sitzt er im Vorstand der Gesellschaft für Wirtschaftsmediation und außergerichtliche Konfliktregelung und ist überzeugt: „Mediation ist in vielen Fällen die bessere Lösung.“

Der Händler etwa, der ein Computerprogramm zum Festpreis in Auftrag gegeben hatte und sich dann mit dem Programmierer stritt, weil der eine Nachzahlung forderte, hätte bei einem Prozess noch Monate auf die dringend benötigte Software warten müssen – vom zeitlichen und finanziellen Aufwand eines Gerichtsverfahrens ganz abgesehen. Die Mediation gebar eine Lösung, von der beide Parteien profitierten: Händler und Programmierer gründeten gemeinsam ein Unternehmen, das die Software auch an andere vermarktet.

Die „Wadlbeißer-Mentalität“ in ihrem Metier störte auch die Bremer Rechtsanwältin Annemarie Czichon. „Da lernt man nur, Ansprüche gegen einen anderen durchzusetzen“, sagt sie. Ob aber die Beziehung zwischen den Konflikt-Parteien auch nach einem Prozess noch funktioniere, spiele in juristischen Auseinandersetzungen eher keine Rolle. Gerade wenn es um Trennung und Umgangsrecht für die Kinder gehe, sei das jedoch besonders wichtig.

Czichon erzielt, vor allem im Bereich Familienrecht, inzwischen einen großen Teil ihrer Einnahmen mit Mediation und Konfliktberatung – eine absolute Ausnahme in ihrer Branche. Die Nachfrage nach Mediation ist noch längst nicht annähernd so groß wie die nach anwaltlicher Vertretung vor Gericht.

Manche halten die Kombination aus Juristerei und Mediation an sich für problematisch. Zu gegensätzlich seien Aufgaben von parteiischen Anwälten und überparteilichen Konfliktschlichtern. „Juristen haben von Haus aus nicht die soziale Kompetenz, die man für die Rolle als Mediator braucht“, gibt Castringius zu. Dafür könnten sie aber die so genannte Mediations-Vereinbarung, die am Ende eines jeden Mediations-Prozesses stehe, präzise und auch im juristischen Sinne hieb und stichfest formulieren. In vielen Fällen seien auch bei einer Mediation selbst juristisches Know-How gefragt. Denn nicht jeder Vorschlag, den die Konfliktparteien etwa bei Unterhaltsstreitigkeiten entwickeln, ist rechtlich zulässig. „Ich muss wissen, was ich überhaupt regeln darf“, sagt Czichon.

Um noch mehr JuristInnen und AnwältInnen für das Alternativ-Verfahren zu begeistern, haben sie und Castringius unlängst die Arbeitsgemeinschaft Mediation im Bremer Anwaltsverein ins Leben gerufen. „Viele Kollegen belächeln uns noch“, sagt Czichon. Zumindest ab der nächsten Juristen-Generation wird sich das wohl ändern: Ab Mitte des Jahres sind Streitschlichterei und Mediation bundesweit verbindlicher Teil des Jura-Studiums. Armin Simon