Kommentar Steuereinigung: Von wegen soziale Wohltat

Dass von höheren Freibeträgen und parallelen Verschiebungen der Steuerkurve systembedingt immer die Reichen am meisten profitieren, überfordert auch viele Journalisten.

Glückwunsch, Bundesregierung, die Propaganda funktioniert: "Vor allem kleine und mittlere Einkommen" sollen durch die geplante Steuersenkung entlastet werden, verkündeten die Spitzen von Union und FDP nach ihrem Koalitionsgipfel. "Vor allem kleine und mittlere Einkommen" werden durch die geplante Steuersenkung entlastet, melden viele Medien brav.

Das Gegenteil ist richtig, aber mit ihrer Steuerlüge hat die Regierung ein leichtes Spiel: Die Tatsache, dass von höheren Freibeträgen und parallelen Verschiebungen der Steuerkurve systembedingt immer die Bezieher der höchsten Einkommen am meisten profitieren, überfordert nicht nur viele Bürger, sondern auch viele Journalisten.

Keine Frage: Es ist nachvollziehbar, etwas gegen die sogenannte kalte Progression zu tun, also dagegen, dass allein durch Lohnerhöhungen im Umfang der Inflationsrate der Steuersatz von Arbeitnehmern stetig ansteigt. Aber diese Korrektur darf erstens nicht als soziale Wohltat verkauft werden, denn es hat nichts mit der Entlastung von Geringverdienern zu tun, sondern nützt denen am meisten, die die meisten Steuern zahlen. Zweitens handelt es sich, solange der Staat weiterhin neue Schulden aufnimmt, um ein Geschenk auf Pump, das die Steuerzahler später zurückzahlen müssen.

Zum Dritten sendet die deutsche Bundesregierung mit ihrer Entscheidung ein fragwürdiges Signal an die europäischen Nachbarn: Während wir von euch die schärfsten denkbaren Einsparungen verlangen, so die Botschaft von Merkel und Co, verteilen wir bei uns zu Hause Steuergeschenke an Spitzenverdiener, um Wahlversprechen einer Klientelpartei zu erfüllen. So wächst die Spaltung in Europa - und die Abneigung gegen die Deutschen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Jahrgang 1971, war bis September 2022 Korrespondent für Wirtschaft und Umwelt im Parlamentsbüro der taz. Er hat in Göttingen und Berkeley Biologie, Politik und Englisch studiert, sich dabei umweltpolitisch und globalisierungskritisch engagiert und später bei der Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen in Kassel volontiert.   Für seine Aufdeckung der Rechenfehler von Lungenarzt Dr. Dieter Köhler wurde er 2019 vom Medium Magazin als Journalist des Jahres in der Kategorie Wissenschaft ausgezeichnet. Zudem erhielt er 2019 den Umwelt-Medienpreis der DUH in der Kategorie Print.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.