Rechte Mordserie: Wie das Nazi-Trio untertauchte

Sie sollen 1997 einen Koffer mit Sprengstoff vor das Jenaer Theater gestellt haben – und konnten untertauchen. Und das, obwohl die Sicherheitsbehörden sie observierten.

Das explodierte Haus in Zwickau. Bild: dapd

BERLIN taz | Zehn Gramm TNT waren in dem roten Koffer, den Beate Z., Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt am Nachmittag des 2. September 1997 vor dem Theaterhaus in Jena abgestellt haben sollen. Auf beiden Seiten des Koffers hatten sie in schwarzer Farbe ein Hakenkreuz aufgemalt, darum ein weißer Kreis. "Sie wollten die Öffentlichkeit in Angst und Schrecken versetzen", sagt ein Ermittler.

Januar 1998: Die Polizei im thüringischen Jena hebt eine Bombenwerkstatt aus. Drei Verdächtige sind auf der Flucht. Sie sind Mitglieder der rechtsextremen Vereinigung "Thüringer Heimatschutz".

2003: Die Ermittlungen werden eingestellt.

25. April 2007: Die 22-jährige Bereitschaftspolizistin Michéle Kiesewetter wird auf einem Parkplatz in Heilbronn durch einen Kopfschuss getötet. Ihr zwei Jahre älterer Kollege wird lebensgefährlich verletzt. Dienstwaffen und Handschellen fehlen.

Januar 2008: Die Sonderkommission führt DNA-Reihenuntersuchung in Baden-Württemberg durch. Eine am Dienstfahrzeug gesicherte weibliche DNA-Spur wird mit über 20 Straftaten in Deutschland - darunter 3 Morde - in Verbindung gebracht.

März 2009: Das Rätsel um das sogenannte Phantom von Heilbronn klärt sich auf. Die DNA wird einer Mitarbeiterin des Herstellers der verwendeten Wattestäbchen zugeordnet. Die DNA war inzwischen an 40 Tatorten in Deutschland, Frankreich und Österreich sichergestellt worden.

7. September 2011: Zwei Männer überfallen eine Sparkasse im thüringischen Arnstadt. Wie sich herausstellt, sind es zwei der drei 1998 untergetauchten Personen.

4. November 2011: Die beiden Männer überfallen eine Sparkasse im thüringischen Eisenach. In einem ausgebrannten Wohnmobil werden später ihre Leichen gefunden sowie die Dienstwaffen der 2007 erschossenen Polizistin und ihres Kollegen.

4. November 2011: Im sächsischen Zwickau explodiert ein Haus. Bewohner waren die beiden Bankräuber sowie die 36-jährige Beate Z. Die Frau ist auf der Flucht.

8. November 2011: Die im Zusammenhang mit der Hausexplosion in Zwickau gesuchte Beate Z. stellt sich in Jena der Polizei.

11. November 2011: Die Bundesanwaltschaft übernimmt die Ermittlungen. Der Fall stehe wahrscheinlich in Zusammenhang mit einer Mordserie an neun türkischstämmigen und griechischen Opfern 2000 bis 2006 in mehreren deutschen Städten. (dapd/dpa)

Es dauerte allerdings fast fünf Monate, bis die Polizei dann am 26. Januar 1998 die Garage mit der Nummer 5 am Mietgaragenkomplex "An der Kläranlage" durchsuchte. Die Garage, angemietet von Beate Z., entpuppte sich als wahres Bombenbastellabor. So fanden die Ermittler gleich mehrere Rohrbomben, darunter auch mindestens eine funktionsfähige. Insgesamt tauchten 1,4 Kilogramm des Sprengstoffs TNT auf.

Da war das Trio - obwohl zuvor monatelang observiert - aber schon untergetaucht. Manche vermuteten, dass sie sich ins Ausland abgesetzt hatten. Andere mutmaßten über eine mögliche Verwicklung des Verfassungsschutzes in die Flucht der drei. Schließlich hatte der Kopf des militanten "Thüringer Heimatschutzes", zu dem die drei gehörten, als V-Mann für den Verfassungsschutz des Landes Thüringen gespitzelt, wie im Jahr 2001 bekannt wurde.

13 Jahre lang blieb das Trio untergetaucht, legte sich falsche Namen zu. Beate Z. nannte sich unter anderem "Mandy Struck". In der Zeit könnte das Trio rund ein Dutzend Banküberfälle begangen haben, auch der Mord an der Polizistin Michele Kiesewetter in Heilbronn scheint auf das Konto der Gruppe zu gehen.

Nach Jahren im Untergrund hat sich Beate Z. am Dienstag gestellt, nachdem sie wohl am Wochenende zuvor das Wohnhaus des Trios in Zwickau in die Luft sprengte. "Ich bin die, die Sie suchen", sagte sie der Polizei im Beisein ihres Anwalts.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Mit der taz Bewegung bleibst Du auf dem Laufenden über Demos, Diskussionen und Aktionen gegen rechts.

Hier erfährst du mehr

Rechtsextreme Terroranschläge haben Tradition in Deutschland.

■ Beim Oktoberfest-Attentat im Jahr 1980 starben 13 Menschen in München.

■ Der Nationalsozialistische Untergrund (NSU) um Beate Zschäpe verübte bis 2011 zehn Morde und drei Anschläge.

■ Als Rechtsterroristen verurteilt wurde zuletzt die sächsische „Gruppe Freital“, ebenso die „Oldschool Society“ und die Gruppe „Revolution Chemnitz“.

■ Gegen den Bundeswehrsoldaten Franco A. wird wegen Rechtsterrorverdachts ermittelt.

■ Ein Attentäter erschoss in München im Jahr 2016 auch aus rassistischen Gründen neun Menschen.

■ Der CDU-Politiker Walter Lübcke wurde 2019 getötet. Der Rechtsextremist Stephan Ernst gilt als dringend tatverdächtig.

■ In die Synagoge in Halle versuchte Stephan B. am 9. Oktober 2019 zu stürmen und ermordete zwei Menschen.

■ In Hanau erschoss ein Mann am 19. Februar 2020 in Shisha-Bars neun Menschen und dann seine Mutter und sich selbst. Er hinterließ rassistische Pamphlete.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.