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: Das Europa der Egomanen

Tony Blair will Krieg – gegen den Willen der Mehrheit im eigenen Land, gegen die in Umfragen gemessene Meinung in ganz Europa. Gerhard Schröder garantiert Frieden – ganz egal, was die UNO-Inspektionen zum Vorschein bringen, ganz egal, was der UN-Sicherheitsrat beschließt. Jeder weiß, dass der deutsche Bundeskanzler nicht von pazifistischen Überzeugungen, sondern von wahltaktischem Kalkül getrieben wird. Man kann eine gute Sache für durchsichtige Zwecke instrumentalisieren und ihr damit gewaltigen Schaden zufügen.

Kommentarvon DANIELA WEINGÄRTNER

Denn Schröder hat mit seinem Alleingang den Startschuss für die anderen gegeben, sich nun ihrerseits nach Lust und Laune zu profilieren. Die öffentliche Solidaritätsadresse von Blair, Aznar, Berlusconi und Co. in Richtung USA ist das Pendant zu Schröders Wahlkampfrede in Goslar. Während Hans Blix zwischen Badgad und New York unterwegs ist, um Saddam Hussein mit diplomatischen Mitteln zum Einlenken zu bewegen und den drohenden Krieg doch noch zu verhindern, polieren Europas Regierungschefs ihre Egos auf.

Dabei nehmen sie in Kauf, dass die von ihnen beauftragten Vertreter der oft beschworenen gemeinsamen Außenpolitik wie Deppen dastehen. Chris Patten und Javier Solana waren über den Brief der acht Regierungschefs vorab ebenso wenig im Bilde wie über Schröders Wahlkampfstrategie. Auch die demokratisch gewählten Abgeordneten im Europaparlament dürfen sich wieder einmal fühlen, als seien sie zum Spielen geschickt worden, während die Großen wichtige Geschäfte erledigen.

Dabei hatte es in den letzten Tagen so ausgesehen, als hätte Donald Rumsfelds Versuch, das alte gegen das neue Europa auszuspielen, genau das Gegenteil bewirkt. Im Europaparlament brachte das gemeinschaftliche Gefühl, den Ruf des guten alten Europa verteidigen zu müssen, die Abgeordneten in seltener Eintracht zusammen. Chris Pattens Anregung, lieber indigniert die Augenbraue zu heben als eine unflätige Bemerkung von jenseits des Atlantik mit gleicher Münze heimzuzahlen, wurde mit stürmischem Beifall bedacht.

Die kurze Phase gelassenen Selbstbewusstseins ist nun vorbei. Aus der Traum von gemeinschaftlicher Außen- und Sicherheitspolitik. Auch mit der einen Telefonnummer, die sich Henry Kissinger einst gewünscht hatte, wird es wohl nichts. Wer wissen will, wie Europa denkt, wird sich weiter die Finger wund wählen. Demnächst bei jedem Thema fünfundzwanzig Mal.