Die Steine des Anstoßes

Dörte Frankes unbequeme Doku „Stolperstein“ wurde von Arte im Sonntagmittagsprogramm versenkt

Beim renommierten Filmfestival in Locarno war der Kinosaal Anfang August an zwei Tagen hintereinander ausverkauft. Der Film wurde lebhaft diskutiert und sogleich auf andere internationale Filmfestivals eingeladen. Auch Arte hat, wenn auch nur in Form einer Kurzfassung, Dörte Frankes Dokumentarfilm „Stolperstein“ am vergangenen Sonntag gesendet – und versendet.

Das passt. Denn „Stolperstein“ ist kontrovers von Anfang an. Es ist ein unbequemer Film. Er macht Ärger, den manche lieber vermeiden wollen. Der Dokumentarfilm zeigt die Geschichte des vielfach ausgezeichneten Kölner Künstlers Gunter Demnig, der mit mittlerweile über 6.000 „Stolpersteinen“ in ganz Deutschland eine gedenkpolitische Kunstaktion der Sonderklasse geschaffen hat. Die „Stolpersteine“, verlegt fast überall in der Bundesrepublik vor den Häusern einst deportierter Juden, sind jedoch in München nicht erwünscht: Sowohl die Vorsitzende der dortigen jüdischen Gemeinde, die Zentralratspräsidentin Charlotte Knobloch, als auch der Stadtrat der bayerischen Landeshauptstadt wehren sich bis heute erbittert gegen die Verlegung der Gedenksteine auf öffentlichem Grund. Dörte Franke und ihr Kameramann Börres Weiffenbach zeigen in ihrer eindrucksvollen Dokumentation, wie der deutsch-britische Holocaust-Überlebende Peter Jordan darum kämpft, für seine von den Nazis ermordeten Eltern einen „Stolperstein“ in München-Bogenhausen verlegen zu lassen – bisher vergeblich (taz berichtete).

Umso mehr wäre zu wünschen gewesen, dass zumindest der Film über diese traurige Sturheit in München und das besondere Engagement Demnigs einen angemessenen Sendeplatz erhalten hätte – nicht nur aus politischen, sondern auch auch filmästhetischen Gründen. Der deutsch-französische Sender Arte aber versteckte Dörte Frankes Film in der Senderecke: Um 13 Uhr wurde er am Sonntag gesendet, zu empfangen hierzulande nur von den Zuschauerinnen und Zuschauern, die eine Satellitenschüssel haben. Die Quoten, die am Montag dann veröffentlicht wurden, waren dementsprechend schlecht. Nur etwa 20.000 Menschen sahen den Dokumentarfilm. Das entspricht einem Marktanteil von 0,1 Prozent. Am Film lag es nicht.

Immerhin, es gibt einen kleinen Trost: Die 73-minütige Kinolangfassung der Dokumentation wird ab dem 4. November bundesweit zu sehen sein, wie die Produktionsfirma Hanfgarn & Ufer mitteilte. Es gibt in Deutschland derzeit nicht viele Dokumentarfilme, die politisch und künstlerisch so engagiert sind – ohne in Agitprop zu verfallen. Vielleicht erreicht der Film ja im Herbst in den Kinos das große Publikum, das er verdient. PHILIPP GESSLER